Oder war es doch Russland – oder die USA?
Die Frage bleibt: Wer ist verantwortlich für den Nord-Stream-Anschlag? Lange wurde nicht nur die Ukraine verdächtigt, sondern auch die USA und Russland. Doch hätten auch Russland und die USA ein Motiv? Für Russland könnte eine Form der Machtdemonstration das Motiv gewesen sein, vermutet der Politikwissenschaftler Thomas Jäger.
Für die USA könnte es eine Gelegenheit gewesen sein, einen Konkurrenten auf dem Energiemarkt auszuschalten und die Energieversorgung in Europa. Denn der US-amerikanische Präsident Joe Biden habe schon vor einigen Jahren gesagt, er würde verhindern, dass Nord Stream 2 in Betrieb gehen werde, erinnert sich Politikwissenschaftler Mangott. Gleichzeitig sei angesichts des Krieges gegen die Ukraine ebenso denkbar, dass der Verdacht bewusst auf jemanden gelenkt werden soll.
Ist der Nord-Stream-Anschlag ein NATO-Bündnisfall?
Würde bei einem solchen Angriff auf die kritische Infrastruktur, wie es bei Nord Stream der Fall war, der NATO-Bündnisfall greifen, wenn es eindeutige Ermittlungsergebnisse gibt? Laut der Analyse des Politikwissenschaftlers Thomas Jäger müsse sich das Verteidigungsbündnis NATO mit dem Schutz kritischer Infrastrukturen und allem, was unter den Begriff der „hybriden Kriege“ falle, erst noch genauer beschäftigen:
„Das ist im Falle eines militärischen Angriffs sichtbar, und man weiß, wie man reagiert, es sind Pläne ausgearbeitet. Beim Schutz kritischer Infrastruktur, bei alldem von Desinformationen bis Sabotage, was Hybride Kriege ausmacht, steckt man hier noch relativ am Anfang.“ Thomas Jäger, Politikwissenschaftler, Uni Köln
Politikwissenschaftler Gerhard Mangott stellt infrage, ob es tatsächlich ein Untersuchungsergebnis geben würde, sollte es sich tatsächlich beweisen lassen, dass die USA oder die Ukraine verantwortlich waren für den Angriff auf die Nord Stream Pipelines. Bei Russland, so vermutet Mangott, sähe das anders aus: „dann würden wir sicherlich erfahren, dass Russland dahintersteckt“.
Wusste die ukrainische Regierung Bescheid?
Obwohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Vergangenheit jegliche Verbindung zur Regierung abgestritten hat, deutet ein Bericht des Wall Street Journal auf das Gegenteil hin (externer Link, möglicher Bezahlinhalt).
Die Idee zur Sprengung der North-Stream-Pipelines sei bereits im Mai 2022 entstanden, heißt es da. Während eine Gruppe von Ukrainern ihre Erfolge bei der Verteidigung gegen die Russen gefeiert habe, sei sie auf die Idee gekommen, die Pipelines zu sprengen. Nachdem die Militärführung der Idee zugestimmt haben soll, sei sie schließlich von Wolodymyr Selenskyj abgesegnet worden, will der Autor des Berichts erfahren haben – wenngleich der ukrainische Präsident seine Zustimmung später wieder zurückgezogen haben soll.
Stand der Ermittlungen
Dennoch kam es zur Explosion an den Nord-Stream-Pipelines. Wer steckt also dahinter? Neben Deutschland haben auch Dänemark und Schweden nach der Sprengung der Pipelines ermittelt. Schweden und Dänemark stellten im Februar 2024 die Ermittlungen ein.
Indes hat Deutschland in den vergangenen Monaten ausreichend Belege gesammelt, um am Bundesgerichtshof einen ersten europäischen Haftbefehl zu erwirken: Wegen des Verdachts der „vorsätzlichen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion“ sowie der „verfassungsfeindlichen Sabotage“. Dabei soll es sich laut Recherchen von ARD, Süddeutscher Zeitung und „Die Zeit“ (externer Link) um den Ukrainer Wolodymyr Z. handeln.