Damit war klar: Die Frau war gar keine Moorleiche, sondern eine 500 Jahre alte Trockenmumie. Und sie kam auch nicht aus Dachau, sondern aus Südamerika. Ende des 19. Jahrhunderts gab es einen florierenden Handel mit Mumien, vermutlich wurde sie einfach in Südamerika gekauft. Spätestens ab 1904 wurde sie in der Anatomischen Anstalt aufbewahrt.
Wie es zu der falschen Bezeichnung als Moorleiche kam, bleibt unklar. Bei einem Bombenangriff im 2. Weltkrieg wurde die Anatomische Anstalt zerstört. Als man die Mumie beim Aufräumen unter den Trümmern fand, hielt man sie für ein Bombenopfer und vergrub sie. Der Konservator ließ sie wieder ausgraben.
Opfer einer rituellen Tötung?
Die starken Beschädigungen im Gesicht sind allerdings älter. Laut Gerichtsmedizin hat man der jungen Frau viele Male mit einem baseballartigen Gegenstand ins Gesicht geschlagen. Grausamkeiten gegen die einheimische Bevölkerung durch die europäischen Eroberer standen damals auf der Tagesordnung. Andererseits zeugen die Verletzungen von einem absoluten Overkill: Um jemanden zu töten, wären so viele Hiebe nicht nötig gewesen. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass das Mädchen einer rituellen Tötung mit einer Streitkeule erlag.
„Wir wissen, dass man im Südamerika der Inka-Zeit Menschenopfer dargebracht hat“, sagt Brigitte Haas-Gebhard. „Allerdings kann man bei diesen Opfern eigentlich immer nachweisen, dass sie vorher mit Rauschmitteln sediert wurden. Da war bei ihr hier nichts zu finden. Sie hat den Tod wahrscheinlich bei vollem Bewusstsein miterlebt.“
Die Mumie ist ein echtes Highlight-Exponat, trotzdem wird sie seit vielen Jahren nicht mehr ausgestellt. Der Grund ist banal: Sie passt einfach nicht in die Sammlung. Die Archäologische Staatssammlung vermittelt die Vor- und Frühgeschichte Bayerns – und nicht die Südamerikas.