Elon Musk weiß, wie es geht, mit seinen Posts möglichst viele Menschen zu erreichen. So hat der Tech-Milliardär auch geschafft, dass das von ihm via X (vormals Twitter) geführte Gespräch mit der AfD-Chefin Alice Weidel für ziemlich große Aufmerksamkeit gesorgt hat – im Internet gleichermaßen wie in den klassischen Medien.
Entscheiden solche Aktionen wie die von Musk mit Alice Weidel die Bundestagswahl am 23. Februar? Oder schlimmer noch: Gefährden sie unsere Demokratie? Das sei eher unwahrscheinlich, sagen Experten, die zu sozialen Medien, politischer Kommunikation und Desinformation forschen.
Normen und Werte für Wahlentscheidung wichtiger als Social Media
Der Einfluss sozialer Medien auf die Wahlentscheidung eines Menschen sei gering, sagt etwa Judith Möller, Professorin für empirische Kommunikationsforschung an der Universität Hamburg, in einem Presse-Briefing des Science Media Center (externer Link). Eine Wahlentscheidung gehe auf sehr viele verschiedene Faktoren zurück: Herkunft, Erziehung, Bildung, persönliche Erfahrungen. Wie groß genau der Einfluss sozialer Medien auf die Wahlentscheidung ist, könne man zwar nicht mit genauen Zahlen belegen, dazu gebe es zu wenige Daten. „Wir wissen aber, dass dieser Anteil sehr klein ist“, sagt Möller.
Außerdem: Die Wahl werde nicht durch eine kurzfristig erfolgreiche Social-Media-Kampagne entschieden, sagt Andreas Jungherr, Professor für Politik und digitale Transformation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Denn: Informationen wirkten kumulativ. Das heißt: Sie häufen sich auf. Was man über Jahre hört, das bildet Meinung. Das gilt auch im Internet und in den sozialen Medien. Wer nur lange genug dort unterwegs ist, der bildet sich auch dort immer stärker seine Meinung.
Soziale Medien bilden weniger die gesellschaftliche Mitte ab
Ein Problem: Der Ton in den sozialen Medien wird immer rauer. Die Kommunikationsforscherin Möller nennt es eine „toxische Kultur“, die dort herrscht. Es bleiben nur diejenigen, die diesen Umgang aushalten können, meist die extrem Rechten. Eine Beobachtung, die auch Philipp Müller, Medienwissenschaftler an der Universität Mannheim, macht – und zwar global.
Parteien wie die AfD profitieren von diesem Trend. Auch, weil sie sich – anders als die etablierten Parteien – früh in den sozialen Medien engagiert haben. Der Bamberger Professor Andreas Jungherr wünscht sich daher, dass „die etablierten Kräfte, die für eine pluralistische Demokratie stehen“, diese Medien stärker nutzten, „um die pluralistische Demokratie als solche zu unterstützen.“
Tipps an Journalisten: Nicht jeden Post aufgreifen
Die drei Experten wenden sich aber auch an die klassischen Medien. Manche, auch zweifelhafte Posts, erführen überhaupt erst Aufmerksamkeit, weil sie von den großen Medien aufgegriffen würden. „Nicht über jedes tagesaktuelle Stöckchen springen“, nennt das Philipp Müller. Das gelte vor allem für Falschinformationen, die kursieren.
In einem ähnlichen Kontext sagte dazu der Leipziger Professor für Kommunikationsmanagement Christian Hoffmann: „Nicht jede Desinformation muss berichtigt werden. Wenn Massenmedien eine Desinformation aufgreifen, um sie zu berichtigen, erhält sie dadurch oft erst eine viel größere Verbreitung als sie es vorher hatte.“
Soziale Medien als Chance
Auch die Sicht auf die Wirklichkeit wird durch die sozialen Medien verzerrt, sagt Andreas Jungherr, und zwar ins Negative. Weil Unzufriedenheit und Probleme viel öfter Thema seien. Die Lage des Landes werde dadurch schlechter wahrgenommen, als sie ist.
„Social Media ist wie ein Stresstest für die Demokratie“, sagt Jungherr. Bei aller Verzerrung könne man nämlich auch sagen: „Fein, die Probleme sind sichtbar geworden, jetzt können wir das auf der Hauptbühne evaluieren, und wenn es tatsächlich ein Problem ist, können wir das auch lösen.“
Gesellschaft wird lernen, mit sozialen Medien sinnvoll umzugehen
Philipp Müller setzt darauf, dass die Gesellschaft auch lernen kann, zu unterscheiden, zwischen den verschiedenen „Diskussionsarenen“, wie er es nennt. Er sei optimistisch, dass sich die Menschheit von „Social-Media-Verzerrungen, von den Überbetonungen randständiger Positionen oder Problematiken wie Hassrede“ nicht komplett abbringen lasse vom Weg der Mitte.