Patryk Vega gilt als Enfant terrible des polnischen Films. Der 1977 in Warschau geborene Regisseur, Drehbuchautor und Produzent hat sich in den letzten Jahren vor allem mit seiner brutal-plakativen „Pitbull“-Trilogie einen Namen gemacht. Filme voller Gewalt und Vulgarität, die man nur lieben oder hassen kann.
Jetzt hat sich Patryk Vega Wladimir Putins Leben in einem lauten Film vorgeknöpft – auf der Höhe der Zeit, mit viel KI-Technik. „Putin“ ist eine Gewalt-Biografie und die erste Einstellung ist eine Szene der Rache: Wir schreiben das Jahr 2026 und Putin sitzt winselnd mit starkem Tremor in einem Krankenhauszimmer in seinen eigenen Exkrementen. Der inzwischen windeltragende Despot ist aus dem Krankenbett gepurzelt. Eine Schwester eilt zu Hilfe und wäscht Putins Allerwertesten, während ein hochrangiger General, gespielt von Thomas Kretschmann, Bericht erstattet.
Regisseur Vega stellt den russischen Herrscher mithilfe von Deepfakes vor aller Augen bloß. Er zeige Putin als einen Feigling, als jemanden der Angst hat, denn er glaube, dass „ich der Menschheit so Frieden bringen kann. Denn wenn man einen Feigling auf der Leinwand in dieser Art und Weise sieht, fürchtet man sich nicht mehr vor ihm.“
Putins Kindheit auf dem Leningrader Hinterhof
Teufelsaustreibung mittels KI. Patryk Vega reiht in loser Form Episoden aus dem Leben Wladimir Putins laut und grell aneinander. Eine Schlüsselszene zu Putins Charakter als weltpolitischer Schurke ist die Kindheit auf dem Leningrader Hinterhof. Dort ist das Leben ein Kampf, ein mächtiger Fausthieb bringt den kleinen Wladimir denn auch erst einmal zu Fall. Die Lektion, die Putin für sein Leben und seinen Regierungsstil daraus zieht, wiederholt der Kremlchef bis heute gerne in seinen Reden. „Man darf keine Schwäche zeigen, denn Schwache werden geschlagen.“
Im Film „Putin“ wird der Kremlchef deshalb immer von dem Bandenchef aus dem Leningrader Hinterhof begleitet – wie ein böser Geist, wie ein Dämon stachelt er Putin zu immer neuen Untaten an. Zum psychoallegorischen Personal des Films gehört ferner eine junge Frau, die Sowjetunion, die ihn erotisch anheizt und sadistisches Vergnügen bei all den Gewaltexzessen empfindet.
Hauptdarsteller Slawomir Sobola hat als Komiker Putin jahrelang parodiert und seine Bewegungen und den eiskalten Blick gut einstudiert. Mittels einer von Vega extra entwickelten KI wurde sein Gesicht so nah wie möglich an das von Putin angeglichen. „Ich brauchte den richtigen Putin auf der Leinwand, denn die Leute sehen ihn jeden Tag in den Nachrichten. Selbst der beste, geschminkte Schauspieler könnte den Zuschauern nicht diese einzigartige Erfahrung geben, die die KI herstellt.“
Viel dramatische Zuspitzung
An dramatischer Zuspitzung liegt Patryk Vega auch sonst viel. „Putin“ ist ein trashiger Film, der nichts erklärt und keine neuen Erkenntnisse über den Kremlherrscher offenbart, vielmehr alle Gewalt noch drastischer auslegt. Vega konzentriert sich in opulenten Szenen auf den Terror, den Putin von Anfang an verbreitet. Die mafiösen Kämpfe um Geld und Macht in St. Petersburg – seinen Mentor Anatolij Sobtschak hat Putin allerdings anders als im Film behauptet nicht vergiften lassen.
Und auch die Beendigung der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater 2002 verlief zwar äußerst brutal, aber die Geiselnehmer und 130 Geiseln wurden nicht, wie Vega zeigt, erschossen, sie starben, weil der Geheimdienst Gas in das Theater einleiten ließ. Putins größtes Verbrechen, den Ukraine-Krieg zeigt Vega wiederum realistisch, für seine Verhältnisse fast zurückhaltend – zu sehen sind in Schutt und Asche gebombte Städte. In Russland sieht man den Film als „weiteren Baustein hybrider Informationskriegsführung“ wie es der Duma-Abgeordnete Leonid Slutzkij formulierte. „Putin“ kommt dort nicht in die Kinos.
Mit seinen grellen, operettenhaften, sich gegen Ende halluzinatorisch steigernden Bildern bleibt der Film am Ende ein klischeehaftes russisches Märchen und damit aller KI zum Trotz weiter hinter der ungeheuerlichen Wirklichkeit zurück.