Robert Habeck (Grüne) hat eine lautstarke Debatte ausgelöst. Der Bundeswirtschaftsminister möchte, dass auch auf Kapitalerträge, also auf Zinsen und Dividenden, Beiträge für die Sozialversicherungen abgeführt werden. Bislang werden diese Abgaben nur von den Gehältern und Löhnen abgezogen. Das sei ungerecht, so Habeck.
Wie sieht der Vorschlag von Robert Habeck aus?
Wer arbeitet, kritisiert der Grünen-Politiker, habe weniger von seinem Geld als derjenige, der sein Geld für sich arbeiten lasse. Sein Ziel ist es, vor allem Millionäre stärker zu belasten. Er möchte die „Beitragsgrundlage“ erhöhen. Aber wie das in der Praxis geschehen soll, hat er nicht konkretisiert.
Die öffentlichen Kassen sind leer, auch die der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen. Die Abgaben, die dafür fällig werden, steigen immer weiter an und sorgen letztlich dafür, dass den Bürgern weniger Geld in ihren Taschen haben. Auf Kapitalerträge fallen sie nicht an. Hier werden nur Abgeltungssteuer, Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchensteuer erhoben.
Was sind Kapitalerträge?
Zu den Kapitalerträgen gehören:
- Dividenden, die die Aktiengesellschaften einmal im Jahr an ihre Aktionäre ausschütten
- Kursgewinne auf Anlagepapiere
Wie funktioniert die Kapitalertragssteuer?
Die Kapitalertrags- oder Abgeltungssteuer gilt seit 2009. Der Zinssatz beträgt 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent. Daraus errechnet sich eine Gesamtbelastung von 26,375 Prozent, die der Fiskus bekommt. Wer einer Kirche angehört, zahlt zusätzlich Kirchensteuer. Das erhöht den Gesamtbetrag auf rund 28 Prozent.
Die Steuern werden von den Kreditinstituten automatisch und anonym an die Finanzbehörden abgeführt. Deshalb werden sie auch „Quellensteuern“ genannt. Die Geldhäuser berücksichtigen die Freibeträge von 1.000 Euro für Ledige und 2.000 Euro für Verheiratete, wenn ihnen entsprechende Freistellungsaufträge vorliegen.
Mieteinnahmen fallen nicht unter die Kapitalerträge. Sie unterliegen der Einkommenssteuer, genauso wie Kryptowährungen. Werden Bitcoin und Co. aber länger als ein Jahr gehalten, sind sie sogar steuerfrei.
Zahlt schon jemand Sozialabgaben auf Kapitalerträge?
Ja. Bei Selbstständigen, die sich freiwillig krankenversichern, kann das bereits jetzt vorkommen. Sie müssen jährlich ihr Gesamteinkommen an die Kassen melden. Dazu gehören neben Mieteinnahmen auch die Kapitalerträge. Die Versicherungspflichtgrenze liegt bei 73.800 Euro.
Wie passt Habecks Vorschlag ins bestehende Steuersystem?
Die Abgeltungssteuer wird von den Banken anonym angeführt. Den Finanzbehörden ist der Steuerzahler unbekannt. Anders ist es bei den Sozialabgaben. Sie werden vom Arbeitgeber jeden Monat automatisch vom Lohn abgezogen und an die jeweiligen Kassen überwiesen. Ein offenes, transparentes Verfahren.
Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge orientiert sich am Bruttolohn. Bei der Rentenversicherung zum Beispiel sind es aktuell 18,6 Prozent, die je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt werden. Hier gilt es, Beitragsbemessungsgrenzen zu berücksichtigen: Bei der Rentenversicherung liegt diese bei 96.600 Euro, bei der Krankenversicherung bei 66.150 Euro.
Was genau ist an Habecks Vorschlägen noch zu unkonkret?
Noch ist offen, wie die beiden Abgabensysteme aufeinander abgestimmt werden können. Wer meldet den Behörden die Höhe der Kapitalerträge? Der Steuerbürger? Welche Nachweise muss er vorlegen? Wer überprüft die Richtigkeit der Angaben?
Der Kanzlerkandidat der Grünen spricht von „Beitragsgrundlagen“, die er erweitern möchte. Wie und in welchem Umfang, sagt er bislang nicht. Doch davon hängt es ab, ob die Millionäre, wie von ihm gewünscht, tatsächlich stärker belastet werden als die Menschen mit normalen Einkommen und Vermögen.
Eine Möglichkeit wäre, die „Abgeltungssteuer“ abzuschaffen und die Kapitalerträge über die Einkommenssteuer zu besteuern. Also so, wie vor 2009. Allerdings wurde die vereinfachte Abgeltungssteuer damals bewusst eingeführt, um das komplizierte deutsche Steuersystem einfacher und effektiver zu machen.