Kausalität oder Korrelation?
Insgesamt zeigt sich: Wahlkampf auf TikTok wird von den Parteien mittlerweile ernst genommen. Die Politikprofessorin Jasmin Riedl, die an der Universität der Bundeswehr das Sparta-Projekt leitet, sieht eine der Ursachen auch in dem Ergebnis der Europa-Wahl 2024 – als die AfD für viele überraschend klar die stärkste Kraft unter Jungwählern wurde.
„Dieser TikTok-Schock bei den Parteien scheint dazu geführt zu haben, dass alle Parteien heute auf TikTok durchweg aktiver sind“, so Jasmin Riedl. „Das sagt uns, dass die AfD kein uneinholbarer digitaler Champion ist.“
Die Frage ist: Sind Linke und AfD bei der Wahl so erfolgreich, weil sie zuvor auf TikTok guten Wahlkampf gemacht haben? Oder sind sie auf TikTok so erfolgreich, weil die Themen der Parteien viele junge Menschen ansprechen? Beides dürfte eine Rolle spielen.
Heidi Reichinnek als linker Star auf TikTok
Klar ist: Die linke Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek ist auf TikTok der Shooting-Star des Moments. Mit fast sechstausend Followern ist ihr Account nach dem von AfD-Kandidatin Alice Weidel der zweiterfolgreichste auf TikTok. Besonders wuchs ihr Account während der Debatte um den „Fünf-Punkte-Plan“ der Union – eine Zeit, in der die Linke massiv an Zuspruch bei vielen jungen Menschen gewann. In dieser Zeit überholte Reichinnek die bis dato zweitplatzierte TikTok-Politiker: Sahra Wagenknecht.
Die 36-jährige verkörpert auf Social Media einen Populismus von links – mit bewusster Inszenierung. Ihre Bundestagsreden gehen regelmäßig viral, ebenso ihre Podcast- und Bühnenauftritte. Dabei setzt Reichinnek bewusst auf soziale Themen: Migration und Umverteilung. Außenpolitische Themen, wie dass die Linke sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzt, finden in dem TikTok-Wahlkampf eher nicht statt.
TikTok-Wahlkampf von allen?
Die kommende Legislaturperiode wird zeigen: Ohne eine Social Media-Strategie geht bei jungen Wählern mittlerweile nichts mehr. Auch in Bayern haben Teile der Politik das mittlerweile erkannt: Ministerpräsident Markus Söder steht mit rund 250.000 Followern immerhin vor Bundeskanzler Olaf Scholz und deutlich vor seinem vermuteten Nachfolger Friedrich Merz. Ob das dabei geholfen hat, die Union bei den Erstwählern zumindest auf Platz 3 zu heben? Dazu schweigen die Daten leider.