Millionen von Menschen würden diese Aufgabe mit Sicherheit als ultimativen Traumjob bezeichnen: Katzenvideos anschauen, stundenlang, Tag für Tag. Für das Team des gerade mit einem Oscar ausgezeichneten Animationsfilms „Flow“ diente dieser Teilaspekt ihrer Arbeit aber nicht der Seelenmassage, sondern war ernsthaftes Studium. Denn die Hauptfigur in „Flow“ ist ein Stubenkater. Allerdings keiner, der à la Disney spricht, auf zwei Beinen geht oder sich irgendwie menschlich verhält. Sondern einer, dessen Kommunikationsfähigkeiten sich auf Maunzen und Schnurren beschränken, der ziellos durch die Gegend streicht, jagt, schläft – und ums Überleben kämpft.
Eine Flut bedroht das Überleben der Tiere
„Flow“ spielt in einer traumhaft schönen, aber apokalyptischen Welt. Es gibt keine Menschen mehr und somit auch keine Dialoge. Die Häuser stehen leer, die Städte sind verwaist. Im öffentlichen Raum platzierte Kunstwerke sind teils noch unvollendet, als hätten sich ihre Schöpfer von heute auf morgen in Luft aufgelöst.
Nicht verschwunden sind die Tiere. Ob wildlebend oder domestiziert wie die namenlose Katze: Sie haben sich mit den neuen Umständen arrangiert. Doch schon nach wenigen Filmminuten wird auch ihr Leben bedroht, als in kürzester Zeit eine gigantische Flut meterhohe Bäume und Gebäude zu Kieseln am Meeresgrund macht.
In „Flow“ verarbeitet Zilbalodis eigene Erfahrungen
„Flow“ ist der zweite Langfilm des lettischen Animationskünstler Gints Zilbalodis. 2019, mit gerade mal 24 Jahren, löste er mit seinem Kinodebüt regelrechte Begeisterungsstürme aus. Um das Filmemachen von Grund auf zu lernen, hatte er „Away – Vom Finden des Glücks“ vom Drehbuch bis zur Produktion im Alleingang umgesetzt. Passenderweise handelte der ebenfalls ohne Dialoge auskommende Film von einem Jungen, der auf einer menschenverlassenen Insel komplett auf sich gestellt ist.
Diese persönliche Metaebene gibt es auch in seinem neuen Werk, wie Zilbalodis in einem Interview erzählt hat. Auch „Flow“ sei gesättigt mit seiner eigenen Erfahrung. Was bedeutet Teamarbeit? Wie kann es gelingen, anderen zu vertrauen? Die Katze, der Prototyp des unabhängigen Wesens, sei die ideale Figur gewesen, um diese Fragen zu beantworten.
Auch die Hauptfigur des Films muss lernen, anderen zu vertrauen. Die Katze kann sich nach der Flut zwar auf ein kleines Segelboot retten, muss sich die überschaubare Fläche aber mit einem Wasserschwein, einem Lemur, einem Golden Retriever und einem afrikanischen Sekretärvogel teilen. Grundverschiedene Wesen also – sowohl optisch, als auch auf Verhaltensebene.