Die zunehmende militärische Bedrohung Europas durch Russland und die wachsenden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Nato-Partners USA haben zu einer Neubewertung der Verteidigung geführt. Rüstung gilt inzwischen als Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft. Die Ansicht, die dahintersteckt, lautet: Wer sich nicht verteidigen könne, gefährde seine Zukunft, die somit auch nicht nachhaltig sei. So sieht das nun auch die Vermögensverwaltung Allianz Global Investor (AGI) des Münchener Versicherungskonzerns.
Sogar Atomwaffen neuerdings als nachhaltiges Investment gesehen
Konkret waren bei AGI bislang „militärische Ausrüstung und Dienstleistungen“ von den nachhaltigen Produkten ausgeschlossen. Auch Aktivitäten im Zusammenhang mit Atomwaffen sollen jetzt erlaubt sein bei Unternehmen, in die investiert wird. Ausgeschlossen bleiben Länder außerhalb des Atomwaffensperrvertrags, wie zum Beispiel Iran. Atomare Rüstungsprojekte in Frankreich oder Großbritannien wären dagegen finanzierbar. Wer also nachhaltige ESG-Fonds gekauft hat, muss davon ausgehen, dass sich darin demnächst auch Aktien von Rheinmetall oder anderen Rüstungsfirmen finden.
Aber: Nicht alle Fonds will die Allianz-Tochter AGI für diese Aktien öffnen. Wer also künftig Militärgüter von seinen Geldanlagen ausschließen will, muss sich fortlaufend darüber informieren und notfalls den Fonds wechseln. Das wird aber kostenlos kaum möglich sein, weshalb dabei mit weiteren Gebühren wie einem Ausgabeaufschlag zu rechnen ist.
Der Vorwurf des Greenwashings steht schon länger im Raum
Ursprünglich ging es bei den ESG-Kriterien tatsächlich um nachhaltige Investments im engeren Sinne, also um den Bau von Windparks auf Hoher See oder die Dekarbonisierung von bisher fossilen Industrien, zum Beispiel mit grünem Wasserstoff. „ESG“ steht für Environmental – also Umwelt – Social – Soziales – und Governance – gemeint ist damit verantwortungsvolle Unternehmensführung.
Der Ansatz wurde aber bald schon wesentlich weiter gefasst, so dass sehr viele konventionelle Industrien ein ESG-Zertifikat bekamen. Der Grund dafür war die stark steigende Nachfrage von Anlegern nach solchen Finanzprodukten, die man mit gutem Gewissen kaufen kann. In Ermangelung von Projekten wurden einfach die Kriterien immer weiter aufgeweicht.
Nachhaltigkeitskriterium „Gute Vorsätze“
Häufig genügte es den Unternehmen, für die Zukunft lediglich Besserung zu geloben, etwa für Energiekonzerne, die immer noch Kohlekraftwerke betreiben. Diese guten Absichten mussten in einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert werden, wie es ihn von vielen börsennotierten Unternehmen gibt. Am Ende dieser Entwicklung blieb das Etikett „ESG“ vor allem ein Verkaufsargument für Vermögensverwalter.