„Ich möchte, dass dieses Gefühl verschwindet“, singt Justin Vernon von Bon Iver gleich zu Beginn von „Things Behind Things Behind Things“ dem ersten Song von „Sable, Fable“. Und die Textzeile lässt aufhorchen. Denn so präzise, klar und dominant hat man Vernon bislang selten gehört: Auf den Vorgängerplatten hat er seine Stimme oft im Hintergrund versteckt. Zunächst hinter wunderschön aufeinandergestapelten Falsett-Arrangements, später hinter zerhackten Beat- und Vocoderspielereien.
Things Behind Things Behind Things. Oder anders gesagt: Aufhören, sich zu verstecken. Nach vorne treten. Sagen, was ist. So könnte man den ersten Song deuten. Die Selbstzweifel, die Angstzustände, all das, was ihn die letzten Jahre geplagt hat, all das soll verschwinden: „Zehn Jahre lang hab ich mich gefühlt, als wäre jemand Tag und Nacht mit einem Stiefel auf meiner Brust gestanden“, erzählte Justin Vernon vor kurzem im Popcast der „New York Times“ (externer Link). Aber das sei nun vorbei – auch dank der Arbeit an der Platte. Sie sei seine Persönlichste geworden: „Ich habe diese Platte gebraucht.“
Rückkehr in die Jagdhütte
So ist das Album auch ein Blick in die Vergangenheit. Insbesondere die ersten Songs auf „Sable, Fable“ erinnern stark an das erste Album „For Emma, Forever Ago“. Bei „Speyside“ sind noch die gezupften Akustikgitarren zu hören. Aber bei „Awards Season“ schwebt dann nur noch Vernons Stimme nackt über einem stehenden Synthie-Ton, bäumt sich einmal kurz auf und entschwindet wieder in der Stille.
Man fühlt sich zu Beginn des Albums zurückversetzt in jene Jagdhütte in Wisconsin, in der Justin Vernon vor knapp 17 Jahren die erste Bon Iver-Platte geschrieben und aufgenommen hatte. Sie wirkt kühl, dunkel und muffig – und dann reißen Bon Iver mit dem Song „Everything is Peaceful Love“ das Fenster auf.
Feinste luftige Melodien
Wie aus dem Nichts strömen feinste luftige Melodien in die Hütte – und die „Jackson Five“ lassen aus der Ferne grüßen. Dem Zusammenbruch voller unartikulierter Emotion folgt die Erleichterung, die sich einstellt, wenn die rastlose und geplagte Seele endlich Ruhe findet.
Schon mit den vorangegangenen Alben hatte sich Justin Vernon vom Archetyp des Singer-Songwriters verabschiedet, suchte mit Bon Iver im Hip-Hop samt elektronischer Orchestrierung nach neuen musikalischen Formen – und entdeckt nun auf „Sable, Fable“ eine ganz neue Gefühlswelt: „Ich will nichts Schlechtes über die alten Sachen sagen, aber jetzt denke ich eher: ‚Hey, lasst uns sexy sein'“, sagte er der New York Times. Man könnte sagen, das haben Bon Iver mit dem neuen Album geschafft.