Wer am Gründonnerstag einen Gottesdienst besucht, kann Zeuge einer ungewöhnlichen Szene werden: Ein Pfarrer kniet sich vor anderen Menschen nieder, gießt Wasser über ihre Füße und trocknet sie mit einem Tuch.
Was aussieht wie ein aus der Zeit gefallener Brauch, ist tatsächlich ein bewusst gesetztes Zeichen: Die Fußwaschung soll Demut zeigen, Nähe schaffen – und daran erinnern, dass niemand zu wichtig ist, um anderen zu dienen.
Was passiert an Gründonnerstag in der Kirche?
In vielen bayerischen Kirchengemeinden – vor allem in katholischen – ist dieses Ritual bis heute fester Bestandteil des Gründonnerstags. Aber was steckt eigentlich dahinter?
Füße zu waschen war in der Antike nichts Ungewöhnliches. Weil die Menschen meist mit Sandalen über staubige Wege liefen, gehörte eine Fußwaschung zur Körperpflege – so selbstverständlich wie heute das Duschen oder Zähneputzen.
Vor diesem Hintergrund versteht man besser, was laut Bibel beim letzten Abendmahl passiert: Jesus steht auf, füllt eine Schüssel mit Wasser und wäscht seinen Jüngern die Füße. Eigentlich wäre das die Aufgabe der Jünger gewesen, aber Jesus dreht die Rollen um. Er zeigt: Wer führen will, muss dienen. Danach sagt er: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben – handelt ebenso.“ Diese Einladung zur gelebten Nächstenliebe steht im Zentrum des Rituals.
Die Fußwaschung und ihre Bedeutung im Christentum
In der katholischen Kirche wäscht der Priester in der Regel zwölf Gemeindemitgliedern die Füße – in Anlehnung an die zwölf Jünger.
Für Aufsehen sorgte Papst Franziskus im Jahr 2013 als er erstmals nicht Priestern in einer Kirche, sondern Häftlingen in einem Gefängnis die Füße wusch. Unter ihnen waren auch eine katholische Italienerin und eine muslimische Serbin, also zwei Frauen – ein weiterer Bruch mit der Tradition. Offiziell ist die Teilnahme von Frauen an der Fußwaschung in der katholischen Kirche erst seit 2016 erlaubt.
In den folgenden Jahren wusch Franziskus unter anderen Geflüchteten und Menschen anderer Religion die Füße. Damit zeigte er: Dieses Zeichen gilt für alle, nicht nur innerhalb der Kirche.
Unterschiede zwischen katholischer und evangelischer Tradition
In der evangelischen Kirche gehört die Fußwaschung nicht fest zum Gottesdienst am Gründonnerstag, wird aber vereinzelt aufgegriffen, etwa bei besonderen Andachten, in Freikirchen oder bei ökumenischen Aktionen. Hier steht die symbolische Botschaft im Mittelpunkt, nicht die konkrete Handlung.
In einer Welt, die stark von Individualismus und Wettbewerb geprägt ist, wirkt die Fußwaschung fast provokant: Ein Mensch beugt sich vor einem anderen. Nicht, weil er muss, sondern weil er will.
Warum die Fußwaschung auch heute noch berührt
Viele deuten es als ein stilles, aber kraftvolles Zeichen für Gleichwürdigkeit, Respekt und Menschlichkeit. Es erinnert daran, dass niemand zu groß ist, um sich kleinzumachen – im besten Sinne.
Auch wenn wir in unserem kulturellen Kontext mit der Fußwaschung wenig anfangen können, berührt diese Geste viele Menschen auch heute noch: Sie schafft Nähe, überwindet Hierarchien und lädt ein, über das eigene Verhältnis zu anderen Menschen nachzudenken.