Gwen Stefani, Ikone der 90er und Sängerin der Band „No Doubt“ steht ganz in weiß und mit Kreuzkettchen um den Hals vor der Kamera und lädt ihre Follower zu einer Art Challenge ein: „Ich würde dich gerne einladen, mit mir jeden Tag vor Ostern mit der Hallow-App zu beten.“
Was Stefani bewirbt, ist die vermeintlich christliche Gebets-App Hallow, die im vergangenen Jahr zeitweise in den App-Charts vor Instagram oder Temu rangierte. Für 9,99 Euro im Monat gibt es tägliche Gebete, Rosenkränze und Meditationen. Gebetet werden kann allein oder in Gemeinschaft. Es gibt Gebets-Challenges zur Fastenzeit oder zur Karwoche, Bibeltexte oder Schlafmusik. Zu hören sind Promis wie der US-Schauspieler Mark Wahlberg oder Robert Barron, Bischof von Winona-Rochester, der auf seinem Youtube-Kanal schon den ultrarechten Journalisten Ben Shapiro eingeladen hat oder Stimmung macht gegen die „Ehe für alle“.
Investments vom rechten Tech-Milliardär Peter Thiel
In der deutschen Version der App kommen deutsche, sogenannte Christfluencer – also Personen, die ihren christlichen Glauben und religiöse Inhalte auf Social-Media-Plattformen teilen – wie die evangelikale Christin Jana Higholder oder der katholische Theologe Johannes Hartl vom Gebetshaus in Augsburg zu Wort, das er als „innovativen Ort der christlichen Spiritualität“ bezeichnet. Mit der App könne er noch neue Menschen erreichen, sagt er: „Ich finde es faszinierend, wie viel Zeit wir mit unserem Handy oder mit unseren Apps verbringen. Und dass man Glauben und Spiritualität quasi in seiner Hosentasche mit sich herumtragen kann, das fand ich eine tolle Idee.“
Wie viel er fürs Einsprechen der Texte erhält, dazu äußert sich Johannes Hartl nicht. Seine Assistentin habe die Summe ausgehandelt. Er selbst bewerbe die App nicht aktiv, aber: „Ich höre von Menschen, von denen ich es nie vermutet hätte, dass sie die Hallow-App verwenden, also Leute, die überhaupt nicht bei mir am Radar waren, oder wo ich wusste, dass sie viel mit Kirche am Hut haben. Ich glaube, dass man so Leute erreichen kann, die ihren Fuß nicht so leicht über eine Kirchenschwelle fänden.“
40 Millionen Dollar haben Trumps Vizepräsident J.D. Vance und der rechts-libertäre Paypal-Gründer Peter Thiel in die App investiert. Warum in eine Gebets-App? Der rechte Ex-Fox-News-Moderator Tucker Carlson vermutet, die App könnte die Welt grundlegender verändern als jeder Politiker – womit er vielleicht nicht Unrecht hat, möglicherweise allerdings nicht zum Guten.
Daten für Wahlkampfzwecke?
Bereits 2022 deckte eine Recherche von „Buzzfeed“ schwerwiegende Lücken beim Datenschutz der App auf. Benutzerdaten wurden nicht nur zu Werbezwecken an Geschäftspartner weitergegeben, sondern auch für gezielte, interessens- und verhaltensbasierte Werbung verwendet. Die Lücken sind inzwischen geschlossen, der US-Wahlkampf längst gewonnen, die Wahlberichterstattung auf dem rechten Sender Fox-News wurde von der App gesponsert.
Linda Kreuzer, Medienethikerin an der Universität Wien, sieht diese Vermischungen von Politik und Religion kritisch: „Es wird natürlich niemand von den CEOs im Interview zugeben, dass es bei Hallow um Manipulation geht. Aber man kann darauf schließen: Die NutzerInnenzahlen steigen und steigen, und auf Hallow wird ein Bild des Katholizismus vermittelt, das gut brauchbar ist für politische Inhalte.“
Der katholische Theologe Johannes Hartl sagt, er habe sich eher von dem leiten lassen, wofür die App stehe und weniger davon, wer dahinter stehe. Anders sehen das die Fans von Gwen Stefani. Dass ihre Ikone nun eine Gebets-App bewirbt, kritisieren sie unmissverständlich mit der Songzeile, mit der Stefani in den 90ern bekannt wurde: „Don’t speak“ – sei still.