In Filmen über die NS-Zeit tragen die Beamten der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) braune Mäntel und tief ins Gesicht gezogene Hüte, fahren frühmorgens in dunklen Mercedes-Limousinen vor und holen Menschen aus ihren Wohnungen, bevor die Karossen wieder aus dem Bild verschwinden. Im Kopf der Zuschauer folgt als nächste Station der Passagiere dann das Konzentrationslager. So hat die Gestapo sich als eine bedrohliche Organisation in die kollektive Erinnerung eingegraben und das wollte sie auch – um Angst und Schrecken zu verbreiten.
Das Netz der politischen Polizei der NS-Diktatur war nämlich längst nicht so engmaschig, wie man glauben möchte. Die Beamten kämpften nicht nur gegen eine Vielzahl von Gegnern, sondern auch mit der Bürokratie. Das ist eine Erkenntnis des Buches über die Münchner Gestapo des Historikers Erich Kasberger (externer Link).
Gestapo: Terror gegen politische Gegner
Zeitgleich arbeiteten etwa 300 Beamte in der Münchner Gestapo-Zentrale des Wittelsbacher Palais, unter ihnen auch Sekretärinnen, Chauffeure oder Dolmetscher, sagt Kasberger: „Der Apparat schleuste täglich viele Menschen durch die Verhörmaschinerie, verfertigte Protokolle, Aktenvermerke und Karteien – eine Papierflut.“ Dessen ungeachtet ging die Gestapo erbarmungslos gegen ihre Gegner vor. Sie terrorisierte Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Widerständler zu Tausenden mit „Schutzhaft“ – ohne Gerichtsbeschluss, anwaltlichen Beistand und auf unbestimmte Zeit. Anschließend endeten viele ihrer Opfer jahrelang im Konzentrationslager – oder gleich auf dem Schafott wie die Mitglieder der Weißen Rose. Dafür stand im Gefängnis München-Stadelheim eine Guillotine.
Wen die Münchner Gestapo verfolgte
Die Gestapo hatte eine ganze Reihe von Feindbildern: Laut Schätzungen kamen mehr als 10.000 homosexuelle Männer ins Konzentrationslager – die Hälfte überlebte die Torturen dort nicht. Sogenannte „Asoziale“ wurden teilweise in Haft genommen, zwangssterilisiert oder als „Volksschädlinge“ der Guillotine zugeführt – „Auslese“ und „gesunder Volkskörper“ mithilfe der Todesstrafe. Unter russischen Kriegsgefangenen „sonderten“ Gestapo-Beamte Intellektuelle, Funktionsträger und Juden aus, um sie zu exekutieren. Evangelische und katholische Pfarrer und ihre Predigten standen unter ständiger Beobachtung der Gestapo – auch sie mussten das KZ fürchten.
Deportation von 3.000 Münchner Juden
Außerdem organisierte die Münchner Gestapo die Deportation von 3.000 Jüdinnen und Juden. Sie zwang die Jüdische Gemeinde zynischerweise dazu, selbst Deportationslisten zu erstellen, dann verschickte die Gestapo die Deportationsbefehle und begleitete die Transporte nach Osteuropa in die Vernichtungslager.
Zuvor hatte die Gestapo die Ausgrenzung und Beraubung der jüdischen Bevölkerung maßgeblich mitgestaltet. Bereits 1933 sperrte sie 200 Münchner Groß- und Einzelhändler ins KZ Dachau und in den folgenden Jahren betrieb sie die Aussonderung von Juden und forcierte ihre Auswanderung. Grundlage dafür war eine akribisch geführte „Judenkartei“.
Münchner Gestapo Vorbild für NS-Staat
Die Bayerische politische Polizei, die später Gestapo hieß, wurde ebenso zum Vorbild für das Reich wie das Modell-Konzentrationslager Dachau oder das Instrument der „Schutzhaft“, das die vorbeugende Inhaftierung ohne richterlichen Beschluss auf unbestimmte Zeit ermöglichte – ab 1938 immer im Konzentrationslager. „Die Verfolgten haben oft drakonische Haftstrafen bekommen, und wenn sie freikamen und dachten, sie hätten es überstanden, hat die Gestapo sie über Jahre ins KZ gesteckt“, sagt Historiker Erich Kasberger. Viele hätten die gesamte NS-Zeit hinter Gefängnismauern und Stacheldraht verbracht.
Dürftige Verurteilungen nach dem Krieg
Nach dem Krieg sind die meisten Münchner Gestapo-Mitglieder mit geringen Strafen davongekommen oder sogar freigesprochen worden – wie viele andere NS-Täter auch. Aber das Ziel der Amerikaner sei eben gewesen, auch die Täter in die Nachkriegsgesellschaft zu überführen, sagt Erich Kasberger: „Das alles war natürlich nicht gerecht, aber man hoffte, dass die Demokratie stärker wäre als die Täter.“
- Erich Kasberger: „Macht auf Zeit. Die Gestapo München“. Erschienen im Münchner Volk Verlag.