„Man kann sich nicht an die Regeln klammern, die seit 40 Jahren bestehen“, schimpft Stefan Thumann am Rande einer Podiumsdiskussion auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Der Gründer eines niederbayerischen Rüstungs-Startups empört sich über die Beschaffungsprozesse der Bundeswehr – oder besser gesagt darüber, wie er sie erlebt. Sein Unternehmen Donaustahl liefert Drohnen an die Ukraine. Stefan Thumann lobt die kurzen Entscheidungswege dort. Hier sei alles anders – das genaue Gegenteil – kritisiert er.
Thumann erlangte durch sein Auftreten im Sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter) Bekanntheit, wo er kein Blatt vor den Mund nimmt. Inzwischen trat er mehrfach in großen Medien auf und wurde dadurch zum prominenten Beschaffungskritiker. Dabei ist der Niederbayer bei weitem nicht der Einzige, der vor nicht allzu langer Zeit als Rüstungsunternehmer neu angefangen hat. Die Startup-Szene ist in diesem Bereich zuletzt gewachsen. Sie sieht sich allerdings mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Längst nicht alle davon haben allerdings etwas mit der Bundeswehr zu tun, wie Moritz Sümmermann berichtet.
Viele Hindernisse für Münchner Firma
Sümmermann hat mit zwei Partnern die Firma „Oberon Systems“ gegründet. Er war bei der Bundeswehr, studierte dann Mathematik und entwarf ein neuartiges Tarnsystem. Eine Art Chamäleon-Folie, die sich dank künstlicher Intelligenz (KI) auf Knopfdruck der Umgebung anpasst, egal ob es eine weiße Schneelandschaft oder ein grünes Gebüsch ist. Die Geschichte von Oberon zeigt deutlich, welche Hindernisse sich solchen Startups in den Weg stellen.
Banken: Kein Interesse
Für Moritz Sümmermann und seine Partner begann alles mit der Suche nach einer Bank für das Firmenkonto. Viele Anfragen liefen ins Leere, schildert er. Selbst Banken, die lokale Unternehmen fördern, hätten abgelehnt. Die Begründung: Bei Oberon handle es sich um ein Rüstungs-Startup. Nach vielen Absagen fand sich am Ende dann doch noch eine Bank. Allerdings gab es dann die nächste Hürde.
Suche nach Investoren
Zwar gibt es in Deutschland hunderte von Startup-Zentren und Risikokapitalgebern, die Geld in junge Firmen stecken. Allerdings sind das nach Recherchen von BR24 in der Regel nicht in Unternehmen, die Verteidigungstechnologien entwickeln. Bestenfalls gibt es Geld für sogenannte Dual-Use-Produkte. Auch Investments großer Innovationsfonds – etwa der EU – unterliegen Einschränkungen. Startups wie Oberon haben hier mit Antrags- und Prüffristen zu kämpfen, die sich über den Zeitraum von rund zwei Jahren erstrecken. „Viel zu lang für uns“, bemängelt Sümmermann.
Und auch auf dem freien Finanzmarkt gibt es offenbar Hürden: In Finanzierungsrunden mit privaten Investoren stieß der Gründer immer wieder auf Vorbehalte. Denn inzwischen gebe es zwar durchaus Interesse an Verteidigungstechnologie. Aber nur dann, wenn es sich um Dinge wie Drohnen oder KI handle, schildert er: „Wir machen etwas Neues. Das ist dann erstmal unbekannt und damit mit einem größeren Risiko verbunden. Außerdem sind wir ein Garagen-Startup, wir machen das in Teilzeit.“ Zudem sei vielen ein Investment in eine Firma, die Produkte herstellt – „also Hardware, keine Software“ – offenbar zu riskant.
Wird Innovation ausgesperrt?
Dazu kommt, dass es Startups mitunter schwerfällt, mit der Bundeswehr selbst in Kontakt zu kommen. Denn dazu bräuchte es zunächst eine Ausschreibung, in der ganz konkrete Anforderungen an ein Produkt definiert werden. Sümmermann kritisiert, dass derartige Ausschreibungen kleine Unternehmen oft ausschließen würden. Mitunter gebe es Vorgaben, wonach die Firmen bereits einen ähnlichen Auftrag für die Bundeswehr abgearbeitet haben müssen.
Bewegt sich etwas?
Immerhin durfte Oberon seine Tarnfolie beim Cyber Innovation Hub der Bundeswehr präsentieren. Die Einrichtung gibt es 2017. Sie soll sich um Zukunftstechnologien für die Truppe kümmern. In Erding ist zudem ein Innovationszentrum der Bundeswehr geplant, in dem die Streitkräfte laut Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit innovativen Unternehmen in Kontakt kommen sollen. „Wir schaffen einen zentralen Ansprechpartner“, versprach der Minister. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist ebenfalls hinterlegt, dass der Austausch mit Startups verbessert werden und Zukunftstechnologien gefördert werden sollen.
Auch das Beschaffungsamt der Bundeswehr lässt auf BR24-Anfrage erkennen, dass man sich dort einen kulturellen Wandel wünscht. Genau wie einen Rechtsrahmen, in dem flexibler finanziert und beschafft werden kann. Geht es nach Rafaela Kraus, Professorin für Unternehmens- und Personalführung an der Universität der Bundeswehr in München, so sind derartige Veränderungen dringend nötig.
Die ganze Recherche hören Sie am 23.4.2025 um 12:15 Uhr in der Sendung „Funkstreifzug“ im Radioprogramm von BR24 oder schon jetzt als Podcast in der ARD Audiothek.