Für den Vorkurs ist je zur Hälfte der Kindergarten und die Grundschule verantwortlich. Bisher war für die Teilnahme das Einverständnis der Eltern nötig. Einen möglichen Förderbedarf stellten im Kindergarten Erzieherinnen und Erzieher durch systematische Beobachtung und Dokumentation der Sprachentwicklung fest. Derzeit nehmen etwa 39.000 Kinder freiwillig teil. Sollte es im Herbst bei den 24.000 Pflicht-Teilnehmern bleiben, wären es fast 40 Prozent weniger. Führt Söders Sprachtest-Pflicht also nicht zu mehr, sondern zu weniger Förderung?
„Erheblicher Grundrechtseingriff“
Das Kultusministerium betont, dass es auch Vorkursplätze für freiwillige Teilnehmer geben werde. Wie viele Familien davon Gebrauch machen werden, ist aber unklar: Denn Tausende Kinder, bei denen Erzieherinnen Sprachdefizite festgestellt hatten, schafften den Test in der Schule und haben schwarz auf weiß, dass die Kenntnisse ausreichen.
Wie ist die Differenz zwischen aktuell 39.000 und künftig 24.000 zu erklären? Das Ministerium teilt mit, dass die Verpflichtung zum Besuch eines Kindergartens mit integriertem Vorkurs mit einem „erheblichen Eingriff in die Grundrechte von Kindern und Erziehungsberechtigten“ einhergehe. Daher müsse eindeutig festgestellt werden, dass eine erfolgreiche Teilnahme am Grundschulunterricht ohne Sprachförderung nicht sicherzustellen ist. Das bedeutet: Für einen Pflicht-Kurs müssen die Defizite größer sein als für die Empfehlung zur Teilnahme.
Gewerkschaft fordert mehr Personal
Nach Einschätzung der Landesvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale, wird in den verbindlichen Tests eher vorsichtig gewertet. „Keiner möchte zu Unrecht ein Kind zu einem Vorkurs verpflichten, den es an manchen Orten wegen Personalmangels gar nicht gibt oder der gar einen Wechsel der Kita bedeuten könnte“, sagt Borgendale.
Durch Testungen allein könnten sicher keine besseren Startbedingungen für Kinder erreicht werden. „Zum einen muss gewährleistet sein, dass der Vorkurs Deutsch flächendeckend stattfindet.“ Zum anderen bräuchten Kindergärten mehr Fachpersonal: „Die Kitas sind der Ort, an dem Sprache erworben wird. Nur wenn die gut ausgestattet sind, sinkt der Bedarf an solchen Sonderkursen.“
BLLV-Präsidentin: Die Qualität zählt
Kultusministerin Stolz betont: „Nachdem wir nun genau wissen, wer unsere Unterstützung benötigt, können wir die Förderung jetzt auch zielgerichtet angehen.“ Wie bei jedem neuen Verfahren habe es bei der Einführung der Tests „ein wenig geruckelt“. Das Signal aber sei klar: „Wir lassen kein Kind zurück!“
Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, bleibt bei ihrer Kritik an der eiligen Einführung der Testpflicht: „Es musste sofort sein!“ Die Folge: ein „Riesenaufwand“ für die Grundschulen. Wie viele Kinder ab Herbst wirklich einen Vorkurs besuchen, werde sich zeigen. „Jetzt zählt: Welche Qualität hat der Vorkurs? Wie oft fällt er aus?“
Grundsätzlich schätzten Grundschul-Lehrkräfte die Vorkurse sehr, sagt Fleischmann dem BR, doch aktuell seien viele Fragen offen: „Gibt es mehr Vorkurse? Gibt es genügend Personal?“ Schon jetzt fehlten Lehrerinnen und Lehrer.