Sie arbeiten, wo andere Urlaub machen: Natalja und Uyen haben einen Job als Zimmermädchen im Hotel zur Post in Rohrdorf. Malerisch liegt der Ort im Landkreis Rosenheim, zwischen dem Inn und der mächtigen Hochries, einem beliebten Berg für Touristen und einheimische Wanderer. Gerade kommt eine fünfköpfige Familie aus den Niederlanden an. Für sie sollen die Zimmer sauber und einladend sein. Dafür legen sich die beiden jungen Frauen ins Zeug. Betten beziehen, Staubsaugen, wischen, Bad putzen: Jeder Handgriff muss sitzen, damit die 113 Zimmer rechtzeitig auf Vordermann gebracht sind.
Knochenjob und Mindestlohn
Für ihren anstrengenden Job bekommen Natalja und Uyen wie viele Beschäftigte im Gastgewerbe den Mindestlohn, zurzeit 12,82 Euro die Stunde. Das ist normal in der Branche für ungelernte Kräfte. Doch nun hat die Mindestlohnkommission entschieden, den Satz zu erhöhen. Ab Januar steigt der Mindestlohn auf 13,90 Euro. Und zu Beginn des Jahres 2027 nochmal, dann auf 14,60 Euro. Das macht was aus: 3.700 Euro gibt es dann im Jahr mehr bei Vollzeit-Arbeitenden.
Ein guter Schritt nach vorne, meint der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler: „Wir konnten nach schwierigen Verhandlungen eine vertretbare Lösung finden.“ Die Erhöhung des Mindestlohnes sei besonders wichtig für die Menschen im Gastgewerbe. Denn von den über 360.000 Beschäftigten im bayerischen Tourismus-Gewerbe arbeiten nach Angaben der Gewerkschaft über die Hälfte im Niedriglohnbereich.
Kostenlawine und Existenzsorgen
Während die Beschäftigten sich über das dicke Plus freuen, sind die Arbeitgeber weniger begeistert. Denn in den vergangenen Jahren sind bei ihnen die Lohnkosten regelrecht explodiert. „Wir können schon lange nicht mehr die Kosten auf die Preise umlegen“, sagt Theresa Albrecht, die Chefin vom Hotel zur Post. Sie sieht für viele Beherbergungsbetriebe in den Tourismusgebieten schwarz: „Es führt dazu, dass überall die Betriebe sterben.“
Die jetzt beschlossene Erhöhung von insgesamt 13,9 Prozent könne der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringe. Die Hotelchefin weiß, wie die Lebenshaltungskosten und Preise in den vergangenen Jahren gestiegen sind, gerade im Süden des Freistaats. Deshalb gönne sie ihren Mitarbeitern das Lohnplus.
Allerdings könne es aus ihrer Sicht so nicht weitergehen: „Der Staat kassiert bei einem Mindestlohnempfänger bereits über 1.000 Euro. Und das ist einfach nicht in Ordnung. Und die Betriebe haben immer mehr Belastungen, wissen nicht, wie sie es weiter schaffen. Und beim Mitarbeiter kommt nichts an.“
Bitter für sie und ihre Kollegen sind vor allem die hohen Steuern und Abgaben. Gerade die Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Speisen und Getränke belastet das Gastgewerbe. Im nicht einmal zehn Kilometer Luftlinie entfernten Österreich gilt ein verminderter Steuersatz von nur zehn Prozent auf die Speisen. Ein ungleicher Wettbewerb. Die Bundesregierung will allerdings den deutschen Steuersatz zu Beginn des kommenden Jahres wieder auf sieben Prozent senken.
Tarif- oder Mindestlohn?
Für Hotelchefin Theresa Albrecht kommt noch ein weiterer Punkt dazu: Wenn der Mindestlohn steigt, dürften früher oder später auch die Löhne der besser bezahlten Fachkräfte in der Branche steigen. Das prophezeit auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA. Präsident Guido Zöllick sieht in der Entscheidung der Mindestlohnkommission deswegen einen Eingriff in die Tarifautonomie: „Acht gültige regionale Tarifverträge werden so bereits 2026 überholt und teilweise außer Kraft gesetzt. Das gesamte tarifliche Lohngefüge wird dadurch beeinflusst.“
Viel Personal
In kaum einer Branche braucht man so viel Personal wie im Gastgewerbe. Das geht aus Berechnungen des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes hervor. In der Branche würden viele Aushilfen, viele Mini-Jobber, aber auch Ungelernte und Menschen mit Handicap arbeiten, sagt der Geschäftsführer des Verbandes Thomas Geppert. Die Erhöhung des Mindestlohnes habe damit auch Auswirkungen auf die tariflich bezahlten Fachkräfte: „Kann es denn sein, dass eine ausgebildete Kraft dann kaum mehr verdient als Ungelernte?“
Da dürften neue Diskussionen bei den nächsten Tarifverhandlungen aufkommen. Fest steht: Es brodelt in der Branche – nicht nur in den Küchen der Hotels und Restaurants im Süden Bayerns.