Wer stets versucht, es allen recht zu machen, gilt oft als besonders hilfsbereit, freundlich und rücksichtsvoll. Doch was auf den ersten Blick wie soziale Kompetenz wirkt, kann langfristig zur Überforderung führen. Denn wer ständig die Erwartungen anderer erfüllt, verlernt oft, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören.
Was ist People Pleasing?
Der Begriff „People Pleasing“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Menschen gefallen“. Betroffene richten ihr Verhalten darauf aus, es anderen recht zu machen – auch auf Kosten ihrer eigenen Wünsche. Konflikte zu riskieren oder Grenzen zu setzen, fällt ihnen meist schwer. Das Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik (Stangl, 2025) (externer Link) beschreibt: „People Pleaser versuchen oft, die Zustimmung und das Lob anderer zu gewinnen, selbst wenn dies bedeutet, ihre eigenen Prinzipien oder Werte zu vernachlässigen. Sie haben meist auch Schwierigkeiten, klare Grenzen zu setzen und ‚Nein‘ zu sagen, selbst wenn sie bereits überlastet sind.“
Woran erkennt man einen People Pleaser?
Typisch ist eine reflexhafte Zustimmung aus Angst vor Ablehnung. Viele erkennen sich in diesen Mustern wieder: ständiges Nachgrübeln, ob man etwas Falsches gesagt haben könnte. Übertriebene Entschuldigungen, auch wenn sie nicht notwendig sind. Eigene Bedürfnisse zurückstellen, um anderen zu gefallen.
Die Psychologin Dr. Ulrike Bossmann empfiehlt, das eigene Verhalten aufmerksam zu beobachten: In welchen Situationen sagt man Ja, obwohl man Nein meint? Welche Lebensbereiche sind besonders betroffen? Auch ein Gefühl von Schuld, wenn man sich abgrenzt, kann ein Hinweis sein.
Welche Folgen kann es haben, es immer allen recht zu machen?
Das ständige Bemühen um Harmonie und die anhaltende Selbstverleugnung kann psychisch belasten. Menschen mit starkem Harmoniebedürfnis geraten leichter in mentale Erschöpfung. Aus Angst, andere zu enttäuschen, übernehmen sie zu viele Aufgaben. Das kann das Risiko für Stress, Burnout, depressive Verstimmungen, Angstzustände und ein geringes Selbstwertgefühl erhöhen, wie u.a. eine Studie vom Mai 2025 (externer Link) belegt.
Woher kommt ein übermäßiges Harmoniebedürfnis?
Viele dieser Muster entstehen schon in der Kindheit. Wenn Kinder regelmäßig erleben, dass ihre Gefühle übergangen oder abgewertet werden, ziehen sie schnell den Schluss: „Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig.“ Ulrike Bossmann erklärt, dass vor allem Beschämung in der Kindheit eine entscheidende Rolle spielt. Wenn Meinungen, Interessen oder Talente klein- oder schlechtgeredet werden, schwächt das das Selbstwertgefühl – oft bis ins Erwachsenenleben.
Ein weiterer Punkt: Manche Kinder übernehmen schon früh Verantwortung, etwa für Geschwister oder einen Elternteil. Dieses sogenannte Parentifizieren überfordert viele – und prägt das Verhalten bis ins Erwachsenenalter. Statt eigene Grenzen zu setzen, fühlen sich Betroffene schnell für das Wohlergehen anderer zuständig. Die Folge: Viele Betroffene haben als Erwachsene Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen oder für sich selbst einzustehen.
Wie lernt man, Nein zu sagen?
Abgrenzung kann man lernen, auch wenn sie anfangs Überwindung kostet. Wer plötzlich nicht mehr automatisch zustimmt, erlebt oft irritierte Reaktionen aus dem Umfeld. Manche versuchen, zu überreden, andere werfen einem vor, man sei „kompliziert“ oder „zickig“.
Doch ein Nein ist kein Angriff, sondern ein Zeichen von Selbstachtung. Wer klar und freundlich ablehnt, zeigt: Ich kenne meine Grenzen und nehme mich ernst.
Hilfreiche Strategien gegen zu viel Harmoniebestreben sind:
- Entscheidungen nicht vorschnell treffen: „Ich denke darüber nach“ verschafft Zeit.
- Klarheit schaffen: Ein einfaches „Nein, das passt für mich nicht“ reicht aus.
- Körpersprache nutzen: Aufrechte Haltung, ruhiger Tonfall und Augenkontakt unterstützen die Botschaft.
- Eigene Bedürfnisse reflektieren: Regelmäßige Selbstbeobachtung hilft, eigene Muster zu erkennen.
Ulrike Bossmann rät zudem zu einem „Warum-Tag“ im Monat: einem festen Termin, an dem man hinterfragt, ob Entscheidungen aus eigenem Antrieb oder aus Angst vor Reaktionen getroffen wurden.
Wann wird People Pleasing problematisch?
Menschen mit People-Pleasing-Mustern wollen meist unangenehme Emotionen vermeiden – bei sich und bei anderen. Doch unterdrückte Gefühle verschwinden nicht. Wer Konflikte vermeidet, obwohl er innerlich unzufrieden ist, verliert langfristig das Gespür für sich selbst.
Unausgesprochener Ärger kann Beziehungen belasten. Nur wenn Grenzen klar kommuniziert werden, lassen sie sich auch respektieren. Und: Wer authentisch auftritt, wird nicht nur für seine Freundlichkeit geschätzt, sondern für das, was ihn oder sie wirklich ausmacht.