Die Italienische katholische Bischofskonferenz hat Richtlinien veröffentlicht, denen zufolge schwule Männer künftig nicht mehr grundsätzlich vom Priesteramt ausgeschlossen werden. Man dürfe den Blick nicht nur auf die homosexuellen Neigungen beschränken, „sondern wie bei jedem Kandidaten seine Bedeutung im Gesamtrahmen der Persönlichkeit des jungen Menschen“ erfassen.
Das Papier ist Ergebnis langer Diskussionen der italienischen Kirchenleitung auch angesichts fehlenden Interesses für den Priesterberuf. Die neuen Leitlinien gelten vorläufig für drei Jahre und wurden laut Mitteilung vom Vatikan genehmigt.
Kirchenrechtler: Entdramatisierung von Homosexualität im Seminar
Was sich durch die neuen Richtlinien nun wirklich für italienische Priesterseminaristen ändert, darüber wird seitdem auch in Deutschland diskutiert. In einer ersten Stellungnahme sagte der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Die Italienische Bischofskonferenz entdramatisiert die Tatsache, als Priesteramtskandidat homosexuell zu sein.“
Vielmehr forderten die katholischen Bischöfe in Italien nun von hetero- und homosexuellen Priesteramtskandidaten gleichermaßen eine menschlich-spirituelle Reifung hin auf eine zölibatäre Lebensform, „bei der jegliche Form aktiv gelebter Sexualität ausgeschlossen ist“. Stellt sich die Frage, inwieweit diese Entscheidung Auswirkungen auf Deutschland hat.
Würzburger Pfarrer: Weiterhin keine Sicherheit für Homosexuelle
Der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose sieht im Gespräch mit BR24 keine „fundamentale Lockerung“ in dem Papier der italienischen Bischöfe. Männer, die „tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen“, wie es in den 2016 vom Vatikan veröffentlichten Richtlinien heißt, blieben weiterhin von der Priesterausbildung ausgeschlossen, sagt Hose, der sich selbst als homosexuell geoutet hat und Vorstandsmitglied der Initiative #OutInChurch ist.
Hose vermutet, dass die italienischen Bischöfe den Text bewusst zweideutig gelassen hätten. So blieben die vatikanischen Richtlinien einerseits unangetastet. Andererseits ermögliche man im Alltag der Priesterausbildung einen gewissen Spielraum. Aber, so der Würzburger Pfarrer, für Homosexuelle gebe es nach wie vor keine Sicherheit: Sie seien weiter abhängig vom Gutdünken vor Ort.
Papier biete aus deutscher Sicht „nichts Neues“
Das Hauptproblem sieht Burkhard Hose im Katechismus der katholischen Kirche, dem grundlegenden und umfassenden Lehrdokument der Kirche. In diesem werde Homosexualität als eine „objektiv ungeordnete“ Neigung beschrieben, da sie nicht der natürlichen Ordnung entspreche. Solange sich nicht die Sicht im Katechismus auf Homosexualität ändere, werde sich auch in der Priesterausbildung nichts wesentlich ändern, ist Hose überzeugt.
Aus deutscher Sicht biete das Papier der Italiener „nichts Neues“, sagt der Hochschulpfarrer. Auch hier werde in vielen Bistümern, auch in Bayern, schon ein lockerer Umgang mit den vatikanischen Richtlinien praktiziert. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) wollte auf Anfrage von BR24 das Dokument der italienischen Bischofskonferenz nicht kommentieren. Man sei aber „an dem Thema dran und auch mit Rom im Gespräch“, wie der Sprecher der DBK mitteilte.
Auch deutsche Kirche will neue Ausbildungsrichtlinien für Priester
So soll in naher Zukunft auch in Deutschland eine Neufassung der Ausbildungsrichtlinien veröffentlicht werden. Der Vorsitzende der Deutschen Regentenkonferenz – in der die Leiter der Priesterseminare zusammengeschlossen sind – und Leiter der Fuldaer Priesterausbildung, Dirk Gärtner, sagte der KNA: „Die veröffentlichte Fassung der italienischen Ausbildungsordnung nimmt neue Erkenntnisse der Sozialforschung und der Humanwissenschaften auf.“ Das könnte beispielhaft werden für künftige Ausbildungsordnungen in Deutschland.
„Zentral erscheint uns Regenten, innerhalb der Ausbildung einen Raum des Vertrauens und des Gesprächs zu eröffnen, der einen sorgfältigen Umgang mit diesem sensiblen und verletzlichen Bereich menschlicher Existenz möglich macht“, so Gärtner. Nach der römischen Entscheidung könnte also bald auch diesseits der Alpen eine Antwort auf die Frage nach Homosexualität in deutschen Priesterseminaren erfolgen.
Mit Informationen von KNA