Im schönen alten Wort peinsam – was so viel bedeutet wie blamabel oder kläglich – steckt das weitaus gebräuchlichere Wort einsam. Von peinsamen Momenten im Leben und einsamen Menschen, die sie durchleiden, vermag kaum einer auf so tragikomische Weise zu erzählen wie Heinz Strunk. Die Titel gebende Wendung „Kein Geld, kein Glück, kein Sprit“ taucht mehrmals auf in dieser Sammlung von Kurz- und Kürzestgeschichten. Nimmt der 63-jährige Hamburger hier also einmal mehr die Deplorablen unserer Zeit, die Hoffnungs- und Hilflosen in den Blick? Der Autor selbst sagt: „Ja, wobei ich mich da durchaus auch um ein gewisses Gleichgewicht bemühe zwischen Geschichten, die von ausgesprochener Tristesse geprägt sind, und dann aber auch wieder Geschichten, die eine gute Pointe haben oder nicht so tragisch sind.“
Heinz Strunk beherrscht die Form des Romans ebenso wie die der literarischen Miniatur. Beim Titel „Kein Geld, kein Glück, kein Sprit“ kann man an Wilhelm Genazinos Buch „Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze“ von 2018 denken. Ist sein Buch-Titel vielleicht sogar insgeheim eine Verbeugung vor dem Büchner-Preisträger? Das könne man so sagen, er sei großer Genazino-Fan, sagt Strunk. Er habe sich im Hinblick auf Genazinos Buchtitell allerdings damals gedacht: „Das geht noch ein bisschen pointierter“. Dann sei er irgendwann auf „Kein Geld Kein Glück Kein Sprit“ gekommen.
Ein „sehr liebenswürdiger Blick“ auf die Figuren
Es ist also längst nicht nur Botho Strauß einer der literarischen Leuchttürme für Heinz Strunk und seine gnadenlos vivisezierende Literatur. Ob es um missglückte Dates geht oder um abgebrochene Suizide, um alte, „erloschene“ Ehe-Paare am Buffet eines All-Inclusive-Hotels auf Gran Canaria oder um „Rockopas“ auf dem Hurricane-Open-Air-Festival in Scheeßel – seine Prosa kennzeichnet kein Hohnlachen. Im Gegenteil: Strunk hat bei allem grotesk-komischen Ausmalen der Situation seiner Figuren Mitleid mit ihnen und ihrem „erbarmungswürdigen Anblick“, wie es an einer Stelle heißt. Muss man als Erzähler Erbarmen und Mitleid mit seinen Figuren haben?
Das müsse man nicht zwingend haben, so Strunk. Aber in einem Fall sei es so, „dass tatsächlich das Empathische, Mitfühlende im Vordergrund steht“. Ihm werde gelegentlich vorgeworfen, er wohl eine etwas negative Weltsicht, was er aber „wirklich explizit verneinen“ wolle. „Ich weiß auch nicht, mit welchen Instagram-Hotspot- oder Rosamunde-Pilcher-Filtern die Menschen durch die Welt gehen, die das meinen. Also ich habe auf jeden Fall – wie ich finde – einen sehr liebenswürdigen Blick auf die Leute.“
Strunk beweist einmal mehr seine Könnerschaft
Sie siedeln oft ungewollt auf der Verliererseite des Lebens. Eine autobiografisch gefärbte, ins Fantastisch-Horrorhafte gleitende Geschichte, die in Strunks Kindheitsort Hamburg-Harburg spielt, findet sich auch in dieser Sammlung vorzüglicher Kurz- und Kürzestgeschichten. Ein Mathias – Strunks Geburtsname – besucht darin ein altes Nachbarspaar, das einander in inniger Feindschaft zugetan, untot in seiner Wohnung haust. Nach seinen Bänden „Das Teemännchen“ und „Der gelbe Elefant“ beweist er mit „Kein Geld Kein Glück Kein Sprit“ einmal mehr seine Könnerschaft.
Strunk sagt über sich selbst: „Ich gehöre zum Glück zu denen, die im Alter nicht nachlassen, sondern eher aufgrund meiner nun doch bald vierzigjährigen Erfahrung dann doch, glaube ich, fast besser geworden sind.“
Anderen Autoren würde man solche Sätze als hochmütig ankreiden. Beim Erzähler Heinz Strunk aber muss man sagen: Stimmt vollkommen, er wird immer noch besser.