Mit Brechts „Dreigroschenoper“ wollen Sahar Rahimi und Mark Schröppel in ihre erste Brechtfestival-Saison starten. Brechts Stück über die Moral, die für die meisten erst nach dem Fressen kommt, ist für sie nicht nur Gesellschaftskritik. Sondern wirft ein Schlaglicht auf diejenigen, die sonst nicht gesehen werden: die Außenseiter, die Schwachen, Beeinträchtigten. Es soll um Teilhabe gehen, ums Zusammenkommen, um Inklusion, sagt Sahar Rahimi: „Marc und ich sind Theatermacher, die aus der inklusiven Theaterarbeit kommen. Wir sind seit über 15 Jahren in verschiedensten inklusiven Projekten unterwegs. Wir haben in ganz Europa mit verschiedensten Tanzgruppen, Theatergruppen, Musikgruppen gearbeitet und gedacht, das könnte man verbinden und mit Brecht nach Augsburg bringen“ sagt Rahimi.
Zurück im Zentrum
Und damit kommt ein ganz neuer Klang in das Brechtfestival, das sich zuletzt unter Kurator Julian Warner in die Stadtteile aufgemacht hatte, in Vereine und religiöse Gemeinschaften eintauchte. Jetzt liegt der Fokus wieder auf dem Theater, der Bühne. Und die Festivalzentrale kehrt zurück, mitten in die City. Zurück zu den Wurzeln, fast schon, als damals der Münchner Autor Albert Ostermaier zum ersten ABC-Brechtfestival getrommelt hatte. Mark Schröppel, der selbst aus Augsburg stammt, war damals schon dabei: „Ich hatte eine Performance-Musikgruppe und wir sind da aufgetreten. Damals in der Komödie, vor fast 20 Jahren. Ich habe in Gießen studiert und Sahar kennengelernt und in den Ferien teilweise mit Augsburger Jugendfreunden diese Band gemacht“,, erzählt er.
Seither habe sich viel getan, meint Schröppel, ein eher ruhiger Typ mit raspelkurzen Haaren und freundlichen Augen. Der Autor und Regisseur musste sich freilich erst frei machen von seiner Heimatstadt: „Augsburg ist wesentlich offener als früher. In meiner Jugend war Augsburg sehr verschlossen, ein Stück weit ignorant. Auch ich. Da hat sich Augsburg total weiterentwickelt, hat sich geöffnet und neue Ufer betreten.“ Es gäbe bereits auch sehr viele Initiativen, die schon inklusiv arbeiten, sagt Rahimi: „Wir haben uns die Aufgabe gesetzt, diesen inklusiven Initiativen, Gruppen, KünstlerInnen, die es gibt, ein Plateau zu geben, sie größer zu machen.“
„Brecht ist ein guter Mann“
Und auch wenn Rahimi und Schröppel schon seit Jahren zusammenarbeiten und viele gemeinsame Projekte realisiert haben – zu Brecht haben beide ein erfrischend unterschiedliches Verhältnis: „Ganz ‚brechtisch‘ würde ich sagen: Das ist auch ein dialektisches Prinzip im Allgemeinen mit Brecht. Den Brecht als politischen Idealist, als Kommunist, als Weltveränderer und als jemand, der das Theater neu erfunden hat, den mag ich immer noch sehr. Wenn der Brecht belehrt, wenn der Brecht auch seine stalinistischen Züge hat, wenn der Brecht ein Chauvi ist, der alles besser weiß, dann mag ich ihn gar nicht. Da bin ich immer genervt und lege das Buch zur Seite“, sagt Schröppel.
Sahar Rahimi, als Regisseurin selbst international tätig, will das so nicht gelten lassen. Sie schüttelt nachdrücklich ihren Lockenkopf: „Ich bin mit Brecht zum Theater gekommen. Ich habe in der Schule angefangen, Brecht-Stücke zu lesen und das hat mich total gepackt. Ich bin auch Tochter eines linken Iraners, der, würde ich sagen, ein lesender Arbeiter ist und der mir immer sagte: Brecht ist ein guter Mann, lies den.“
Einig sind sich beide darin, dass sie sich für ihr erstes Brechtfestival-Programm wohl viel streiten, aber auch wieder vertragen werden. Und dass etwas Spannendes dabei herauskommen wird.