Beim außerordentlichen Kongress des russischen Schriftstellerverbandes, der für den 27. Februar geplant ist, soll Putins enger Berater und ehemaliger Verhandlungsführer mit der Ukraine, Wladimir Medinski, zum neuen Präsidenten gewählt werden, berichten russische Medien und Blogger. Medinski brachte bisher vor allem Schulen und Universitäten „auf Linie“ und machte mit propagandistischen Geschichtslehrbüchern und der Essay-Reihe „Mythen über Russland“ unrühmliche Schlagzeilen.
„Wladimir Medinski ist Mitglied des Schriftstellerverbandes Russlands und hat jedes Recht, als Kandidat für den Posten des Vorsitzenden in Betracht gezogen zu werden“, so der bisherige Chef-Lobbyist der Autoren, der eigentlich bis 2028 gewählte Nikolai Iwanow. Dem Kreml sei aufgefallen, dass 60 Prozent der Kinderbücher „negative Tendenzen“ hätten, so von den Medien zitierte anonyme Quellen. Daher brauche es jetzt eine „ideologisch starke Persönlichkeit“, um den Buchmarkt in den Griff zu bekommen.
„Im richtigen Moment Ideologie korrigieren“
Offenbar wolle Medinski dem früheren sowjetischen Chefideologen Michail Suslow (1902 – 1982) nacheifern, so der Kolumnist des Wirtschaftsblatts „Kommersant“, Dmitri Drise: „Nach der Veröffentlichung der ‚richtigen Schulbücher‘ steht uns offenbar eine umfassende ‚Literaturreform‘ bevor.“ Medinski habe den Russen bereits erklärt, wie sie Stalin einzuschätzen hätten: „Ohne diese Orientierungshilfe sind die russischen Bürger ‚verwirrt‘ und wissen nicht ganz, Gut und Böse voneinander zu unterscheiden.“
„Lukrativer, Schweigegeld zu zahlen“
Blogger Pawel Prijanikow (115.000 Fans) fragte sich, ob Putins Propaganda-Literatur wohl Abnehmer findet: „Wie bringt man die Leute dazu, das alles zu lesen? Natürlich kann man Bücher entsprechend den Vorgaben an Bibliotheken und Schulen verteilen, aber wie bringt man die Leute dort zum Lesen?“ Außerdem nutzten die Russen sowieso in erster Linie das Fernsehen zur Information und Unterhaltung: „Es geht auch ohne Bücher. Deshalb ist es für staatsorientierte Schriftsteller heute lukrativer, nichts zu veröffentlichen und ihnen Schweigegeld zu zahlen – Hauptsache, sie laufen nicht ins feindliche Lager über.“