Kae Tempest war immer schon vieles: Slam-Poet, Theatermusiker, Autor. Tempest hat Bücher geschrieben und Songs mit großer Dringlichkeit veröffentlicht. Um Ungerechtigkeit geht es darin etwa, um Ängste und, seit einigen Jahren, auch um queere Identität. Tempest, der lange als weiblich gelesen wurde, identifiziert sich mittlerweile als Mann und hat eine Transition durchlaufen. Auf seinem neuen Album macht er diese Erfahrung zu Musik.
Tempest wirft existentielle Fragen auf
Wer bin ich? Und wie werde ich als der, der ich bin, ein Teil dieser Welt? Das sind die existentiellen Fragen, die Tempest in „Self Titeled“ bearbeitet. Das Ergebnis: eng getaktete Songs, die in drei bis vier Minuten eine ganze Lebensgeschichte erzählen. Jahrelang sei das Mikrofon ein Schutzschild gewesen, singt Tempest etwa.
Fast jede Zeile auf diesem Album ist eine Selbstoffenbarung. Trans zu sein, also eine Person, die ihren Körper zum Beispiel hormonell verändert, bei Kae Tempest heißt das auch: transparent zu sein.
Manche Songs sind überfordernd
Die Geschwindigkeit ist hoch, viele Songs sind überfordernd. Das ist ästhetisch nachvollziehbar, denn Tempest erzählt ja von einer Veränderung, die kaum umstürzender sein könnte. Seit ein paar Jahren lebt er als Mann. Seine Stimme ist hörbar tiefer als bislang.
Es habe gedauert, sagt Tempest in einem Video auf seinem Instagram-Kanal, bis er diese Gender-Identität zugelassen habe. Nur in der Kunst, nur auf der Bühne oder beim Schreiben eines Gedichts hätten sich Körper und Geist wie eine Einheit angefühlt. Doch sobald ein Konzert zu Ende war, war dieses Gefühl weg. Man könne nicht dauerhaft existieren ohne die Einheit von Körper und Geist. Erst die Transition zu einem männlich gelesenen Körper habe es ihm ermöglicht, endlich als „Ich“ zu existieren – ohne Distanz zu sich selbst.
Ein Album, das man hören sollte
In einem Song singt Tempest etwa über dieses neue Ich – im Duett mit einem Du, Neil Tannent von den Pet Shop Boys. Kein Schatten ohne Licht: Songs wie dieser leuchten, hier scheint das innere Chaos überwunden zu sein.
Leider trifft Tempest für seine Geschichte nicht immer den Ton. Manche Beats und Melodien wollen so unbedingt Atmosphäre erzeugen, so unbedingt ein größeres Publikum erreichen, dass sie manchmal zur Karikatur verkommen. Das entwertet mitunter die Dringlichkeit der Songs.
Doch trotz einzelner ästhetischer Fehlgriffe: „Self Titled“ von Kae Tempest ist ein Album, das man hören sollte, denn es beschwört die Kraft der Pop-Musik, einer Musik, bei der alles im Werden und nichts festgelegt ist.