Strafverteidiger Matt Murdoch, der Titelheld der Serie „Daredevil: Born Again“, stellt sich immer wieder diese eine Frage: Wie gerecht ist eigentlich das Rechtssystem? Zum Beispiel, als er einen Obdachlosen vertritt. Der soll ins Gefängnis, weil er Karamell-Popcorn aus einem Supermarkt gestohlen hat. Und nicht versteht, warum ihn der Staat New York einsperrt, statt ihm Sozialhilfe zukommen zu lassen. „Vielleicht wollte ich nur einmal einen Nachtisch“, klagt der Obdachlose. „Und sie sind bereit, fünfmal so viel Kohle auszugeben und mich hinter Gitter zu bringen, statt mir Essensmarken zu geben“.
Warum „Daredevil: Born Again“ so aktuell ist
Es sind solche aktuelle Fragen, die „Daredevil: Born Again“ hier aufgreift. Der Autor und Jurist Ronen Steinke spricht in solchen Fällen von „Klassenjustiz“ (externer Link). Also, dass Justiz und Recht Armut bestrafen und viele Menschen auch hier im Gefängnis sitzen, weil sie die Bußgelder wegen Schwarzfahrens nicht bezahlen können (externer Link).
Die Serie ist ein Reboot der Netflix-Marvel-Adaption „Daredevil“, die von 2015 bis 2018 ausgestrahlt wurde. Die muss man aber nicht gesehen haben, um von der Neuauflage in den Bann gezogen zu werden. Die Vorgeschichte grob zusammengefasst: Titelheld Matt Murdoch ist als Kind mit radioaktivem Material in Berührung gekommen. Das hat ihn erblinden lassen, aber ihm gleichzeitig Superkräfte verschafft. Und so hat Matt ein Superhelden-Alter-Ego: Als „Daredevil“ rettet er Menschen dort, wo Recht und Gesetz zu spät kommen.
Warum Matt Murdoch die Maske an den Nagel hängt
In „Daredevil: Born Again“ will Matt Murdoch jedoch nicht mehr in die Rolle seines Superhelden Alter-Egos schlüpfen. Schluss also mit der nächtlichen Action als maskierter Rächer. Schließlich kann man auch als Strafverteidiger Gutes bewirken und Menschen helfen, sagt sich Murdoch, grandios gespielt von Charlie Cox.
Dass der Vorsatz nicht lange halten wird, ist so vorhersehbar wie ein Stau auf dem mittleren Ring in München. Schließlich hat der Mafiaboss Kingpin, der größte Widersacher von Daredevil, seinen großen Traum verwirklicht: Wilson Fisk, so heißt Kingpin bürgerlich, ist eigentlich ein Mann, der einem Menschen gerne mal mit bloßen Händen den Schädel zerquetscht. Doch jetzt hat er sich zum Bürgermeister von New York wählen lassen.
Warum Wilson Fisk an Donald Trump angelehnt ist
Ein Gangster als Spitzenpolitiker. Vincent D’Onfrio ist die perfekte Besetzung für den an Trump angelehnten Fisk – von Opposition bis Focus Online (jeweils externe Links; möglicherweise Bezahl-Inhalt) – viele nennen den US-Präsidenten aktuell „Mafioso“. Auch Wilson Fisk ist ein Mann, der sich als Kämpfer gegen Bürokratie, Planfeststellungsbeschlüsse und unliebsame Stadtratsabstimmungen inszeniert – aber dabei die Institutionen zu seinen Gunsten aushöhlt. „Wieso würden Sie mich wählen?“, fragt der Kingpin einen jungen Fisk-Fan. Seine Antwort: „Weil Sie die Scheiße geregelt kriegen.“
Wie die Justiz die Falschen jagt
Diejenigen, die sich für das Gute einsetzen, sind Fisk dabei ein Dorn im Auge. Weshalb er die Sicherheitsbehörden instrumentalisiert. So schießt sich Fisk auf „Daredevil“ und weitere maskierte Nebenfiguren ein. Schließlich müssen Recht und Ordnung herrschen.
Die fatalen Folgen der fehlgeleiteten Justiz
Aber während Staatsanwaltschaft und Polizei die Helden kriminalisieren, bahnt sich in New York eine Katastrophe an, die kaum jemand kommen sieht. In all dem Chaos kann der Serienmörder „Muse“ nämlich ungestört schalten und walten. Und so zeigt „Daredevil: Born Again“ nicht nur, wie die Justiz Armut bestraft. Sondern auch: Wenn Mächtige mit „Recht und Ordnung“ Helden jagen, hat das fatale Folgen für alle.