Während US-Unternehmen unter Präsident Donald Trump ihre Diversitätsprogramme zurückfahren, zeichnet eine Schnellumfrage der „Charta der Vielfalt“ hierzulande ein anderes Stimmungsbild: 90 Prozent der befragten Unternehmen führen ihre Initiativen für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) unverändert weiter.
Nur zwei von insgesamt 100 befragten Organisationen mit jeweils mehr als 1.000 Beschäftigten sprachen von konkreten Kürzungen – vorrangig in Bezug auf Aktivitäten in den USA, wie der Verein der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
Augsburger Firma: Von Expansion in die USA erst mal absehen
„Für uns als Unternehmen ist es gefährlich, wenn Werte auf einmal so verändert werden“, sagt Ramona Meinzer, Geschäftsführerin von Aumüller bei Augsburg. Das mittelständische Unternehmen hatte zuletzt sechsstellige Beträge investiert, um seine Elektronik für automatisch betriebene Fenster auch in die USA zu exportieren. Doch die Bilanz des ersten Drittels von Trumps Amtszeit zeigt: Eine Expansion in die USA kommt für Ramona Meinzer zunächst nicht mehr infrage.
Grund dafür ist zum einen die Unsicherheit durch Trumps Zollpolitik. Doch auch das US-Verbot von Diversitätsprogrammen spielt eine Rolle. „Ich möchte mir nicht vorschreiben lassen, dass meine Unternehmenswerte ab morgen nicht mehr gelten, nur weil ich in einem Land meine Produkte vertreiben möchte“, so Meinzer.
Verbot von Diversitätsprogrammen trifft auch deutsche Unternehmen
Denn einen Tag nach Trumps Amtsantritt Ende Januar verordnete er das Ende für DEI-Programme in Wirtschaft und Forschung. DEI meint übersetzt Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Sein Argument: Durch Bevorzugung einiger Bevölkerungsgruppen würden andere wiederum benachteiligt. Seitdem haben große Marken in den USA wie McDonalds ihre Konzepte für mehr Chancengleichheit eingestellt. Auch US-Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen wie Aldi Süd oder Telekom haben sich angeschlossen.
In Deutschland gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) haben jedoch bereits rund zwei Dutzend Unternehmen hierzulande die Aufforderung erhalten, ebenfalls ihre DEI-Programme einzustellen. Betroffen sind Unternehmen, die in direkter Verbindung zur US-Regierung stehen. Was genau in diesen Briefen steht und wie die Unternehmen reagieren, ist nicht bekannt. Große deutsche Unternehmen wie Siemens, Puma oder Adidas möchten sich auf Anfrage des BR nicht öffentlich äußern.
Die DIHK sieht in Trumps Verordnung zwar eine zusätzliche Irritation im durch den Zollkonflikt belasteten Verhältnis zwischen Europa und den USA, geht jedoch in der Praxis von nur geringen Auswirkungen aus.
Viele Unternehmen sind verunsichert und lassen sich beraten
Doch hinsichtlich Verunsicherungen ist Aumüller aus Augsburg kein Einzelfall, beobachtet Tijen Onaran. Mit ihrer Beratungsfirma entwickelt sie Diversitätskonzepte für deutsche Betriebe. „Es gibt durchaus Unternehmen, die rechtliche Konsequenzen fürchten, weil sie eben auch nicht wissen, welche der Bestimmungen, der Regularien hat auch welche Folge. Das schauen wir uns mit einem Expertenteam an, was hat auch wirklich eine Relevanz für den deutschen Markt und wo sind sie auch wirklich aktiv berichtspflichtig“.
Ob die weitere Amtszeit von Trump mehr wirtschaftliche Sicherheit für deutsche Unternehmen mit sich bringt, bleibt offen. Aumüller aus Augsburg möchte statt neuen Handelsbeziehungen weiter für Vielfalt stehen.
Ob große Unternehmen außerhalb der USA ihre DEI-Richtlinien anpassen, ist noch unklar. Diversitätsberaterin Onaran rät: „Das Wichtigste ist für sich auch als Unternehmen in Deutschland einen langfristigen Plan zu entwickeln, das heißt sich genau zu überlegen, was im Diversitätsdiskurs für uns absolute Priorität hat. Klare Kommunikation ist entscheidend, souveränes Auftreten und vor allem auch eine sehr starke Führung. Nicht weniger Führung im in puncto Diversität, sondern mehr Führung.“