Eine Initiative des Münchner Bündnisses „Offen bleiben für eine solidarische Gesellschaft“ sorgt für Diskussionen. Denn die Vereinigung aus sozialen Verbänden, Einrichtungen, Beratungsstellen, Gewerkschaften, politischen Gruppen und Wohnprojekten hat einen Weg gefunden, um das Bargeldlimit bei der Bezahlkarte für Geflüchtete zu umgehen.
Es ist ein Tauschhandel: Geflüchtete kaufen mit ihrer Bezahlkarte in großen Lebensmittel- oder Drogeriemärkten Gutscheine für maximal 50 Euro. Diese Gutscheine können sie dann an drei „Wechselstuben“ in München in Bargeld umtauschen. Damit haben sie zusätzlich zu den staatlich ermöglichten 50 Euro noch etwas mehr Bargeld zur Verfügung. Unterstützerinnen und Unterstützer der Aktion wiederum kaufen sich die Gutscheine und können diese im jeweiligen Geschäft einlösen.
Aktion „aus rechtlicher Sicht erlaubt“
Laut Justizministerium ist dieses Vorgehen rechtlich in Ordnung. „Es kann durch das Innenministerium nicht verhindert werden“, heißt es auf BR24-Anfrage. Doch der CSU um Innenstaatssekretär Sandro Kirchner ist die Aktion der „linken Aktivisten“ ein Dorn im Auge. Kirchner, der sich für die Einführung der Bezahlkarte stark gemacht hatte, empfindet, dass einige wenige jetzt die ganze Gesellschaft konterkarieren. „Die Bevölkerung hat ganz klar den Auftrag an die Politik gegeben, gegen illegale Migration vorzugehen, die Anreize zu verändern und damit natürlich auch eine Bezahlkarte einzuführen“, so Kirchner im BR-Interview.
Er wolle an die Vernunft der Menschen appellieren, dass die Aktion letztendlich ins Leere laufe. Die „selbsternannten Flüchtlingshelfer“ müssten, so Sandro Kirchner, viel Geld in die Hand nehmen, um das System aufrechtzuerhalten. Er gehe davon aus, dass dabei insgesamt „sehr wenig Aktion vorhanden ist“. Von daher ist die Initiative des Bündnisses seiner Meinung nach vernachlässigbar.
Anfragen von BR24 an die SPD und AfD im Bayerischen Landtag blieben bisher unbeantwortet.
Sprecherin der Grünen: „Deckelung auf 50 Euro realitätsfremd“
Gülseren Demirel, integrationspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, kann die Beweggründe von „Offen bleiben“ nachvollziehen. Sie sieht den bayerischen Sonderweg bei der Bezahlkarte durchaus kritisch. Die Aktion des Bündnisses mache deutlich, dass dieser Weg nicht alltagstauglich ist. Selbst in der großen Stadt München stoße man immer wieder auf Verkäuferinnen und Verkäufer, die keine Karte annehmen. Auf dem Land sei dies bestimmt noch schwieriger, so Demirel zum BR. Die Deckelung auf 50 Euro Bargeld im Monat ist ihrer Meinung nach realitätsfremd.
Bezahlkarte stehe für „rechtspopulistische Symbolpolitik“
So sehen das auch die Unterstützer von „Offen bleiben“. Neben der konkreten Hilfe für Geflüchtete will das Bündnis mit der Aktion auch aufrütteln. Die Einführung der Bezahlkarte sei rechtspopulistische Symbolpolitik, so Matthias Weinzierl, der Sprecher von „Offen bleiben“. Dem wolle das Bündnis ebenfalls Symbolpolitik entgegensetzen, aber solidarisch-praktische.
Die Initiative will zudem erreichen, dass noch mal eine seriöse und ernsthafte Debatte über den Sinn der Bezahlkarte geführt werde. Der „Offen bleiben“-Sprecher ist anderer Meinung als die CSU und die AfD. Es gebe keine Belege dafür, dass Bargeld, welches Geflüchtete in Bayern kriegen, ein „Pullfaktor“ ist. Sprich: dass deswegen mehr Menschen nach Bayern kommen.
Mehr Unterstützer als Nachfrage bei Tausch-Idee
Viele Münchnerinnen und Münchner sehen dies ähnlich. Laut Matthias Weinzierl ist die Zahl der Unterstützer, die gerne einen Gutschein abkaufen würden, derzeit sogar größer als die Zahl der Geflüchteten selbst, die die Gutscheine in Bargeld umtauschen möchten. Die Aktion läuft seit gut einer Woche. Geflüchtete werden darüber unter anderem durch Flyer und Plakate informiert.
Tausch-Idee bereits in Hamburg verankert
Abgeschaut hat sich die Münchner Initiative die Tausch-Idee von Hamburg. Dort wird sie schon seit Monaten praktiziert. Matthias Weinzierl und seine Mitstreiter freuen sich bereits über viele Anfragen aus ganz Deutschland. Denn andere Bündnisse würden, so Weinzierl, die Hamburger und jetzt auch Münchner Idee selbst ebenfalls gerne umsetzen.