Über sechs Millionen Beschäftigte in Deutschland können sich ab Januar laut Schätzungen des Statistischen Bundesamtes auf ein Lohnplus freuen – in Bayern sind es knapp eine Million. Ihr Stundenlohn steigt von jetzt 12,82 Euro auf 13,90 Euro. Der Mindestlohn wird angehoben. Laut Gesetz schauen Auszubildende da aber in die Röhre. Sie gehören zu denen, die keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben. Aber warum eigentlich nicht?
Kein Mindestlohn für Auszubildende: Vergütung statt Entgelt
Der Mindestlohn bezieht sich auf das Entgelt. Das bekommt ein Beschäftigter dafür, dass er einem Unternehmen oder einer Behörde seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Genau das aber liegt bei Auszubildenden eben nicht vor – so der Gesetzgeber. Sie befinden sich in der Lernphase – was nicht ausschließt, dass sie durchaus produktiv sind – der eine mal mehr, der andere weniger.
Immer wieder wurden sogar Forderungen laut, Auszubildende mögen doch bitte auch finanziell etwas beitragen zu den Kosten, die sie den Firmen während der Lehrzeit verursachen. Durchgesetzt hat sich das nicht. Im Gegenteil. Laut Berufsbildungsgesetz steht den Jugendlichen eine „angemessene Vergütung“ zu (§17, Abs1). Und sie müssen auch nicht das benötigte Werkzeug, den Laptop oder die Bücher für die Berufsschule selber mitbringen ( §14 Abs1).
Mindestlohn für Azubis? Pro und Contra
Reicht das aus? Ja, heißt es auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks bei Bertram Brossardt, dem Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Er sagt: „Die Ausbildung dient in erster Linie dem Erlernen eines Berufs und nicht der Deckung des Lebensunterhaltes. Die nach dem Berufsbildungsgesetz vorgesehene ‚angemessene Ausbildungsvergütung‘ soll helfen, die Azubis und ihre unterhaltspflichtigen Eltern bei der Lebenshaltung finanziell zu unterstützen.“
Etwas anders sieht das – wenig überraschend – die Gewerkschaftsjugend in Bayern. Anna Gmeiner, Bezirksjugendsekretärin des DGB, verweist auf die Inflation und die hohen Mieten, die viele Azubis vor finanzielle Probleme stelle. „Deshalb setzen wir uns für eine Mindestausbildungsvergütung ein, die mindestens auf das Niveau des gesetzlichen Mindestlohns steigen muss. Schlupflöcher, die eine Unterschreitung der Vergütung ermöglichen, darf es nicht geben“, sagt sie.
Mindestvergütung regelt das Gesetz
Es lässt sich darüber streiten, was „angemessen“ bedeutet. Auch für Azubis wurde da vom Gesetzgeber eine Linie nach unten gezogen. Für sie gibt es eine Mindestausbildungsvergütung. Einmal im Jahr passt das Bildungsministerium die Höhe an. Entscheidend ist, wie hoch die Ausbildungsvergütungen in den letzten beiden Kalenderjahren gestiegen sind. Zurzeit stehen Azubis im ersten Lehrjahr 682 Euro im Monat zu. Im zweiten Lehrjahr sind es 805 Euro, im dritten 921 Euro. Und zwar für alle, die heuer ihre Lehre begonnen haben oder noch beginnen.
Das sind deutlich weniger als die rund 2.000 Euro, auf die ein Beschäftigter mit einer 40-Stunden-Woche beim Mindestlohn kommt. Aber viele Lehrlinge bekommen mehr als Schülerinnen, Schüler und Studierende. Der Bafög-Höchstsatz beträgt aktuell 992 Euro im Monat.
Mit Tarifvertrag mehr Vergütung
Viele Lehrlinge bekommen im Monat aber deutlich mehr als das gesetzliche Minimum auf das Konto überwiesen. Für sie gilt ein Tarifvertrag, der die Konditionen festschreibt. Laut Tabelle des Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung reicht das von eher mageren 710 Euro im Monat im Friseurhandwerk in Nordrhein-Westfalen bis zu 1.416 Euro für den öffentlichen Dienst im Bereich Pflege. Die meisten kommen laut Bericht inzwischen auf eine tarifliche Vergütung von über 1.000 Euro.
Nicht unter 20 Prozent der Tarifvergütung
Das mit dem Tarifvertrag hat allerdings einen Haken. Er gilt nur in Betrieben, die auch tarifgebunden sind. Andere Arbeitgeber können, müssen sich aber nicht daran halten. Sie müssen nur die gesetzliche Mindestvergütung zahlen: Mehr als 20 Prozent unter dem entsprechenden Branchen-Tarif wird als nicht mehr angemessen gesehen.