Vor knapp einem Jahr hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Landtag eine Regierungserklärung zum Bürokratieabbau gegeben. Darunter war auch das Versprechen, landesrechtliche Statistikpflichten für die Wirtschaft für zwei Jahre auszusetzen. Söder sagte damals: „Unsere Handwerker, viele, auch Bäcker und Metzger, empfinden diese ganzen Statistikpflichten als echte Belastung im Alltag. Wir werden für Statistik im Landesrecht ein Moratorium für zwei Jahre machen. Und wir überprüfen noch einmal detailliert und entschlacken auch die bayerischen Regeln zum Datenschutz.“
Neuer Artikel hebt landesrechtliche Statistikpflichten auf
Tatsächlich wurde mit Artikel 28b des Statistikgesetzes ein entsprechender neuer Gesetzesartikel eingefügt. Da heißt es wörtlich: „In den Jahren 2025 und 2026 werden auf landesrechtlicher Grundlage weder Daten zum Zwecke der Statistiken erhoben noch entsprechende Statistiken geführt.“ Der Schönheitsfehler: Es existieren keine landesrechtlichen Statistikpflichten für Handwerker oder Unternehmen.
Immerhin wurde es für die eine oder andere Behörde einfacher: Straßenstatistiken fielen weg, Anerkennungsstatistiken für ausländische Abschlüsse, die freiwillige Theaterstatistik und die bayernweit elf ausländischen und internationalen Schulen sind von besonderen Statistikpflichten befreit.
Grüne: Söders leere Versprechen
Grünen Landtags-Fraktions-Vize Johannes Becher, der eine entsprechende Anfrage an die Staatsregierung gestellt hatte, fasst das Ganze so zusammen: „Söder verspricht Entlastungen für Handwerker, indem er bayerische Statistiken (für Unternehmen – Anm. der Redaktion) abschaffen will, die es in Wahrheit gar nicht gibt.“ Becher spricht von einem „typischen Söder“.
Walter Nussel (CSU) ist Beauftragter der Staatsregierung für den Bürokratieabbau. Er verteidigt Söders Vorgehen. Er sieht darin eine Art Weckruf an die anderen Bundesländer und die Bundesregierung. „So geht es nicht weiter“, so Nussel. Er fordert, dass bei den Dokumentations- und Statistikpflichten großzügig abgerüstet wird und verweist dabei auf eine entsprechende Bundesratsinitiative der bayerischen Staatsregierung vom vergangenen Jahr: „Alles was im gewerblichen Bereich ist, das ist meistens Bundesgesetz. Deswegen sollte das ein Anstoß aus Bayern sein, aber umgesetzt muss es dann zu 90 Prozent in Berlin werden.“
Skandinavische Länder als Vorbild
Der Grüne Becher wirft Söder vor, leere Versprechen zu machen, die nur frustrierten und niemandem helfen würden. Auch Becher ist klar: „Es braucht Entbürokratisierung. Der Staat hat von Handwerksunternehmen und vielen anderen (…) so viele Daten, aber die Behörden reden halt nicht miteinander. Da fehlt es an Rechtsgrundlagen, an Service-Orientierung, an Digitalisierung, an der Verknüpfung von Registern.“
Er berichtet von einer Expertenreise mit einer Industrie- und Handelskammer nach Schweden. Die seien da viel weiter, so Becher: „Im Vergleich zu den skandinavischen Ländern sind wir 20 Jahre hinten dran – das ist die bittere Wahrheit.“ Deshalb plädiert er für Modellregionen zur Entbürokratisierung. Da brauche es Kommunen, die mutig seien mit Vertrauen, Transparenz, Digitalisierung und Bürger- und Unternehmensfreundlichkeit zu arbeiten. In diesen Regionen dürften dann auch Fehler passieren, die korrigiert werden könnten. Denn: Die ständige Angst vor der Haftung lähme dieses Land, glaubt Becher.