CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat die Bürgergeld-Debatte erneut entfacht. Seine Forderung: mutmaßlichen sogenannten Totalverweigerern das Bürgergeld komplett streichen. Dieser Vorschlag ist nicht neu. Bereits im März hatte die CDU ihr Konzept zum Bürgergeld vorgestellt, das sie begrifflich durch „Neue Grundsicherung“ ersetzen will.
Linnemann erntete für seinen erneuten Vorstoß in der Bürgergeld-Debatte von Sozialverbänden, der SPD, aber auch innerhalb der CDU Kritik. Unterstützung kommt hingegen von der FDP.
Bürgergeld komplett streichen: Geht das rechtlich?
Doch ist es rechtlich überhaupt möglich, das Bürgergeld (für Job-Verweigerer) langfristig komplett zu streichen, wie Linnemann fordert? Daran gibt es Zweifel, denn: 2019 gab es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage, wie stark die Grundleistung (damals noch Hartz lV) gekürzt werden darf. Die damalige Entscheidung: In der Regel sind nur Kürzungen von bis zu 30 Prozent rechtens.
Die Bundesagentur für Arbeit betont seit Monaten: Es dürfte nur wenige sogenannte Totalverweigerer geben, der Anteil dürfte unter 0,5 Prozent aller Bürgergeld-Bezieher liegen. Denn: 97 von 100 Menschen kamen beispielsweise im Jahr 2023 mit Minderungen/Sanktionen gar nicht in Berührung. Zur Einordnung: Im Jahr 2023 haben rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld erhalten. Davon sind 3,9 Millionen Bezieher erwerbsfähig. Rund 1,5 Millionen Bezieher sind nicht erwerbsfähig – dabei handelt es sich meist um Kinder.
Ampel-Regierung: Härtere Strafen beim Bürgergeld
Die Ampel-Regierung verschärft das Bürgergeld und nutzt alles an Sanktionen, was rechtlich beim Bürgergeld möglich ist. Ein paar Beispiele, was geplant ist und noch vom Bundestag verabschiedet werden muss:
Zeitweise kein Bürgergeld mehr für sogenannte Totalverweigerer
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat schärfere Strafen für Jobverweigerer geschaffen. So wird Empfängern, die eine zumutbare Arbeit beharrlich ablehnen, das Bürgergeld (derzeit für einen alleinstehenden Erwachsenen 563 Euro im Monat) komplett gestrichen – aber maximal nur für zwei Monate und unter der Voraussetzung, dass den Menschen die Heiz- und Mietkosten weitergezahlt werden. Denn: Das Existenzminimum muss gesichert sein.
Kürzungen
Wer erstmals eine zumutbare Arbeit ohne triftigen Grund ablehnt, dem soll das Bürgergeld sofort um 30 Prozent für drei Monate gekürzt werden können. Bislang erfolgten die Kürzungen stufenweise mit zehn, 20 oder 30 Prozent. Wer sich dauerhaft einem Job verweigert, dem wird – wie schon ausgeführt – das Bürgergeld für zwei Monate ganz gestrichen.
Längerer Arbeitsweg zumutbar
Die Bundesregierung hat auch die Kriterien für einen „zumutbaren“ Job verschärft: So wird die Dauer des Arbeitswegs verlängert: Wer demnach mehr als sechs Stunden pro Tag arbeitet, für den soll ein Hin- und Rückweg von insgesamt drei Stunden zumutbar sein. Zum Vergleich: bisher waren es 2,5 Stunden.
Einschnitte beim Bürgergeld: Zurück zu Hartz IV?
Im Zuge der Bürgergeld-Verschärfungen ist in der aktuellen Debatte immer wieder die Rede davon, man kehre zum abgeschafften Hartz IV-System zurück. Tatsächlich erinnern die härteren Sanktionen daran. Andererseits wird betont, der Fokus beim Bürgergeld liege auf Weiterbildungsmaßnahmen – damit würde der größte Unterschied zu Hartz IV bestehen bleiben.
Die Bundesregierung will mit den Änderungen einerseits sparen – mit den Verschärfungen bei Totalverweigerern sollen allerdings nur 170 Millionen eingespart werden können.
Zudem hofft die Regierung, die Wirtschaft insgesamt anzukurbeln, indem Anreize zur Jobaufnahme gestärkt werden sollen. Im ARD-Sommerinterview am Wochenende betonte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nochmals: Beim Bürgergeld habe die Ampelkoalition den „fordernden Charakter“ gestärkt. Aber: Weitere Schritten müssten folgen, so Lindner: „Das Bürgergeld hat die Erwartungen nicht erfüllt und muss daher weiter reformiert werden.“
Hohe Ausgaben für Bürgergeld
Was Lindner auch gemeint haben dürfte: Das System Bürgergeld ist deutlich teurer als von der Regierung gedacht. Geplant waren für das Jahr 2024 Ausgaben beim Bürgergeld in Höhe von 37,6 Milliarden Euro – über einen Nachtragshaushalt mussten aber mehr als drei Milliarden Euro nachgeschossen werden auf 41,3 Milliarden Euro.
Die höheren Ausgaben beim Bürgergeld lassen sich mit der Inflation, aber auch mit einer höheren Zahl an Bürgergeld-Empfängern begründen. Bei letzterem Punkt spielt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine eine große Rolle: Über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer sind nach Deutschland geflohen – sie erhalten nicht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern Bürgergeld.
2025 wohl keine Bürgergeld-Erhöhungen
Stieg im Jahr 2024 das Bürgergeld um 12 Prozent an – was vor allem an der hohen Inflation gelegen hat – dürften die Bedarfssätze nächstes Jahr wohl nicht mehr steigen: „Wir rechnen im Moment damit, dass angesichts der jetzt rückläufigen Preissteigerungsraten wahrscheinlich nach jetziger Lage zum 1. Januar 2025 es auch sein kann, dass es keine Erhöhung geben wird“, sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums jetzt in Berlin.