Nach Ansicht von Bundesbankchef Joachim Nagel braucht Deutschland eine völlig neue Schuldenbremse. Angesichts der „tektonischen Veränderungen“ in der Welt seien kleine Veränderungen nicht mehr genug.
Nach der Wahl Donald Trumps drohen Zölle auch auf deutsche Waren. Diese dürften die Konjunktur belasten. Und angesichts der strukturellen Probleme in der deutschen Wirtschaft brauche es dringend viele Investitionen, sagte Nagel am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos. Bedarf dafür gibt es genug, ob im Klimaschutz, in der maroden Infrastruktur oder in der Verteidigung. Ob das mit der aktuellen Schuldenbremse geht, wird von Nagel, aber auch anderen Ökonomen hierzulande infrage gestellt. Auch die sogenannten Wirtschaftsweisen hatten in ihrer Herbstprognose die Regierung aufgefordert, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen. In der Politik herrscht Uneinigkeit.
Was sieht die Schuldenbremse vor?
Grundsätzlich sollen Bund und Länder ihre Haushalte führen, ohne dafür Kredite aufzunehmen. Das schreibt Artikel 109 des Grundgesetzes vor. Und der Artikel 115 hat dann im Jahr 2016 die Schuldenbremse für den Bund konkretisiert. Demnach darf die strukturelle Neuverschuldung in einem Jahr 0,35 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten. Egal ob es ein wirtschaftlich starkes oder schwaches Jahr ist, gilt diese maximale Obergrenze für die jährliche Kreditaufnahme.
Ziel der Deckelung ist es laut Bundesfinanzministerium, die Haushalte von Bund und Ländern langfristig tragfähig zu machen und sicherzustellen, dass der Staat finanziell handlungsfähig bleibt. Denn Schulden führen zu Zinszahlungen, das weiß jeder, der schon einmal einen Kredit aufgenommen hat. Und die Schuldenbremse soll verhindern, dass der Staat einen Großteil seiner Steuereinnahmen nur für Zinsen verwenden muss und für andere wichtige Aufgaben kein Geld da ist.
Ausnahmen erlaubt!
Völlig starr ist die Schuldenbremse jedoch nicht. So ist eine höhere Nettokreditaufnahme in einigen Fällen möglich. Ausnahmen können in heftigen konjunkturellen Krisen beantragt werden, bei Naturkatastrophen oder anderen Notfällen, wie zuletzt der Corona-Pandemie.
Mit mehrheitlicher Zustimmung des Bundestags darf dann die Obergrenze von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschritten werden. Gleichzeitig muss aber ein Tilgungsplan beschlossen werden. Kritiker bemängeln, das reiche nicht aus. Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form verhindere wichtige Investitionen, wie aktuell z. B. die Sanierung maroder Brücken oder Straßen.
💡Die Argumente in der Debatte:
Pro:
- Die Schuldenbremse senkt die Staatsverschuldung. Sie hält den Staat damit handlungsfähig.
- Ein ausgeglichener Haushalt verhindert langfristig eine Staatsschuldenkrise und schafft Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Landes.
- Die Ausnahmeregelungen ermöglichen in Krisenzeiten zusätzliche, notwendige Investitionen.
- Schuldenobergrenzen sorgen für mehr Generationengerechtigkeit. Denn am Ende kommen die Jüngeren für die Staatsschulden auf.
Contra:
- Sparen darf kein Selbstzweck sein. Eine wirtschaftlich nachhaltige Entwicklung und wichtige Investitionen für die Zukunft werden verhindert.
- Auch das kann zu Lasten der Jüngeren gehen. Unterlässt der Staat kreditfinanzierte Investitionen, kann das die Lebensqualität und Spielräume künftiger Generationen einschränken.
- Auch Zentralbanken können mit ihrer Geldpolitik einer Staatsschuldenkrise entgegenwirken.
Sind öffentliche Schulden immer schlecht?
Nein. Es kommt darauf an, wofür sich der Staat verschuldet. Als sinnvoll gelten Sachinvestitionen und Finanzierungshilfen, die dem Gemeinwesen zugutekommen und die vor allem auf die Zukunft ausgerichtet sind. Denn sie nützen künftigen Generationen.
Beispiel für „gute Schulden“ sind kreditfinanzierte Investitionen in die Infrastruktur oder in den Klimaschutz. Dagegen ist Schulden machen, um Konsumausgaben des Staates zu finanzieren, verpönt. Denn diese sind naturgemäß nur im laufenden Haushaltsjahr von Nutzen. Ein Beispiel ist die Zahlung von Gehältern der Staatsbediensteten.