Ab Mittwoch tritt für US-Importe aus der EU ein zusätzliche Zollsatz von 20 Prozent in Kraft. Den Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, alle gegenseitigen Zölle auf Industriegüter aufzuheben, lehnte US-Präsident Donald Trump bereits ab. Die Zollpolitik begründet er damit, Ungleichgewichte im Handel korrigieren zu wollen: „Sie zocken uns ab. Es ist so traurig, das zu sehen“, kommentierte Trump vergangene Woche das Außenhandels-Defizit mit der EU.
Handelsdefizit: Der vermeintliche Nachteil
Börsenmärkte weltweit reagieren mit drastischen Kurseinbrüchen – Trump hält jedoch an der Zollpolitik fest. Was steckt hinter seiner Annahme, die USA würden unter dem Handelsdefizit mit der EU und Deutschland leiden? Formell sind die Zahlen klar: Im letzten Jahr wurden Waren im Wert von 161,4 Milliarden Euro aus Deutschland in die USA exportiert. Demgegenüber standen US-Importe im Wert von 91,4 Milliarden Euro. Macht ein Handelsvolumen von 252,8 Milliarden Euro und damit die USA zu Deutschlands größtem Handelspartner 2024.
Damit ist aber auch klar: Deutschland hat im letzten Jahr einen Exportüberschuss von 70 Milliarden Euro erzielt. Des einen Überschuss ist des anderen Defizit, in diesem Fall die USA. Hat Trump demnach recht? „Dass ein Außenhandels-Defizit grundsätzlich ein Nachteil sei, stimmt nicht“, sagt Professor Tim Büthe. Er forscht an der TU München zu internationalen Wirtschaftsbeziehungen. „Davon auszugehen, dass die USA von anderen Staaten über den Tisch gezogen werden, ist grundfalsch.“
Dienstleistungen schwer messbar
Zunächst sind die 70 Milliarden Euro US-Handelsdefizit gegenüber Deutschland nicht eindeutig. Insbesondere die Dienstleistungen zwischen beiden Ländern erschweren den Lagebericht. „Bei immateriellen Gütern sprechen Ökonomen von weicheren Bepreisungen“, erklärt Büthe. Konkret: Amerikanisch beheimatete Weltkonzerne wie das Streamingportal Netflix können zum Beispiel selbst den Urheberort von Werken je nach steuerlichen Präferenzen bestimmen. Eine Zuordnung gemäß der Handelsbilanz wird schwerer.
USA in einzigartiger Position
Dazu produziert die Welt gewisse Waren billiger oder auch besser, zunächst zum Vorteil von US-Konsumenten. Hierbei nehmen die USA im Welthandel eine besondere Position ein. Wenn ausländische Staaten Handelsüberschüsse in den USA erzielen, haben sie nur zwei Möglichkeiten: „Mit US-Dollars können Sie ja schlecht in Europa einkaufen gehen“, erklärt Büthe. „Entweder Sie kaufen US-Waren im ähnlichen Wert ein, oder Sie legen es in US-Staatsanleihen an.“
Je mehr Staatsanleihen auf der Welt in US-Dollar nachgefragt werden, desto geringer fallen die Zinsen für diese aus. „Die geringen Zinsen sind insbesondere für die im internationalen Vergleich hoch verschuldeten amerikanischen Privathaushalte förderlich.“
Trumps Vision – das 19. Jahrhundert?
Was steckt demnach hinter Trumps Zollplänen? Eine kohärente Strategie lasse sich laut Büthe nicht erkennen. „Es gibt mehrere Ziele, die mit dieser Politik vereinbar wären. Dazu gehört, dass er industrielle Kapazität aufbauen will.“ Zum anderen gehe es um Abschottung: „Das Weltbild passt zum späten 19. Jahrhundert, damals waren diese Denkweisen verbreiteter.“ Im späten 19. Jahrhundert steckten die USA noch in der Frühphase der Industrialisierung – und Zölle galten als die entscheidende Quelle für die Staatsfinanzen. An diese Tradition wolle Trump nun anknüpfen – dem inzwischen weltweit tief vernetzten Handel zum Trotz.