Klaus Lutz hat lange mit sich gerungen, am Ende ist er zu einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk bereit. „Wenn ich sehe, wie die Ergebnissituation und die Entwicklung der BayWa, wie ich es wahrnehme, mir angelastet wird – das kann ich so nicht länger akzeptieren“, sagt Lutz vor wenigen Tagen dem BR. Lutz hat sich bisher nur ein Mal zur BayWa-Krise geäußert – in der „Süddeutschen Zeitung“. Seitdem hat er geschwiegen.
Die BayWa wird zum Sanierungsfall – Lutz als Verantwortlicher?
„Ich fühle mich zutiefst verletzt, wie ich hier persönlich auch angegriffen werde – nach 15 Jahren Erfolg“, so Lutz. Hintergrund: Aus dem bayerischen Vorzeigeunternehmen wurde am 12. Juli 2024 ein Sanierungsfall. Völlig überraschend informierte die BayWa an diesem Tag die Öffentlichkeit in einer Ad Hoc-Mitteilung darüber, dass ein Sanierungsgutachten in Arbeit ist. „Damit reagiert die BayWa auf eine angespannte Finanzierungslage“, so der Konzern damals.
Den Zuschlag für das Gutachten bekam Roland Berger. Das inzwischen fertige Papier liegt BR Recherche vor. Die Berater haben schonungslos aufgeschrieben, wie der Konzern in die Krise gerutscht ist. Danach habe es bei der BayWa unter anderem eine „begrenzte finanzielle Transparenz in den Bereichen Treasury, Controlling und Portfoliomanagement gegeben“, außerdem eine „unzureichende Steuerung der Fremdfinanzierung“. Das Geschäft der BayWa war und ist nahezu vollständig von Banken und Investoren finanziert.
Roland Berger nennt als zentrale Krisenursache zudem den Zinsanstieg seit 2022 – „gepaart mit hoher Verschuldung“. Ex-Finanzvorstand Andreas Helber, der die BayWa mittlerweile verlassen musste, hatte im Mai 2024 in einem Interview mit dem Youtube-Format „echtgelt.tv“ eingeräumt, die Zinsentwicklung „ganz klar“ unterschätzt zu haben. Auf eine BR-Anfrage dazu hat Helber nicht reagiert. Die BayWa kam durch diese finanzielle Krise nur, weil Banken und Eigentümer 1,4 Milliarden Euro frisches Kapital zugeschossen haben.
„Fehlendes Risikomanagement“ als Krisenursache – sagt der jetzige CEO
Der seit März 2025 amtierende CEO, Frank Hiller, nennt im BR-Interview zudem „fehlendes Risikomanagement“ als Haupttreiber der Krise. Nach seiner Überzeugung ist die „aggressive Akquisitionspolitik“ ebenfalls dafür verantwortlich, „obwohl wir eine relativ hohe Verschuldung hatten“. Und die BayWa habe ihr „Kerngeschäft vernachlässigt“ – den Agrar-Bereich also.
Zwar erwähnt Hiller den Namen Klaus Lutz in diesem Zusammenhang nicht, trotzdem nimmt er seinen Vor-Vorgänger damit ins Visier. Lutz hatte die BayWa von Juli 2008 bis März 2023 geführt und die Internationalisierung des Unternehmens durch Zukäufe vorangetrieben. Der heute 67-Jährige war zuvor Sanierer des „Süddeutschen Verlags“.
Lutz: Aufsichtsrat wollte Globalisierung und Internationalisierung
Zu seinen Anfängen bei der BayWa sagt Lutz: „Ich hatte den Auftrag vom Aufsichtsrat, den Konzern zu globalisieren und international aufzustellen. Die Internationalisierungsstrategie war oberste Priorität.“ Mit der Übernahme des Frucht-Händlers Turners & Growers 2012 und des Agrar-Handelsunternehmens Cefetra 2013 war die internationale Expansion der BayWa allerdings weitestgehend abgeschlossen – elf Jahre vor der Liquiditätskrise.
Eine von der BayWa in Auftrag gegebene Untersuchung soll klären, wie es zur Krise kam. Das sei „eine relativ aufwendige Untersuchung, die auch mit hohen Kosten verbunden ist. Ich denke, das wird noch einige Wochen oder Monate dauern“, sagt Hiller.
Vertrauenskrise vor der Liquiditätskrise?
Klaus Lutz ist der Meinung, dass personelle Querelen bei der BayWa Anfang 2024 eine Vertrauenskrise und in der Folge die Liquiditätskrise ausgelöst haben. Lutz – im Juni 2023 an die Spitze des Aufsichtsrates gewechselt – hatte im Januar 2024 versucht, seinen Nachfolger Markus Pöllinger vom Posten des CEO abzusetzen. Er habe sich in seinem Ziehsohn getäuscht, so Lutz.
Allerdings folgte der Aufsichtsrat nicht ihm, sondern stärkte Pöllinger den Rücken. Lutz trat daraufhin zurück und meint rückblickend: „Ich vermute, dass dieser Rücktritt dann eine Vertrauenskrise verursacht hat.“ Tatsächlich wurde es für die BayWa in den kommenden Monaten zunehmend schwerer, sich frisches Kapital zu besorgen.
Klaus Lutz sagt, ihm komme es so vor, als wenn er als Sündenbock herhalten müsse. In der Öffentlichkeit werde der Eindruck erweckt, er sei mit einem Sack voll Geld durch die Welt marschiert, „um auf Pump Unternehmen zu kaufen“. BayWa-Insider springen dem Ex-Vorstandschef bei.
Lutz als Hauptschuldiger? Insider sagt: „Blödsinn!“
Anonym sagt einer, über Investitionen ab einer bestimmten Höhe habe immer der gesamte Vorstand entschieden. Außerdem seien weitere Gremien wie der Aufsichtsrat oder ein „Risk Board“ eingebunden gewesen. Angesprochen auf die These, dass es sich bei Lutz um den Hauptverantwortlichen für die BayWa-Misere handele, sagt er: „Jeder, der von Wirtschaft eine Ahnung hat, der sagt: Blödsinn!“
Für den Kapitalmarktexperten Christoph Kaserer von der Technischen Universität München ist der Fall BayWa ein klassisches Beispiel für Managementversagen. „Wenn ich eine hohe Verschuldung habe und eine geringe Profitabilität, dann ist das Zinsänderungsrisiko einfach enorm und deswegen muss ich all meine Aufmerksamkeit diesem Zinsänderungsrisiko widmen“, sagt Kaserer. Der BR hat das frühere Management auch zu den möglichen Gegenmaßnahmen in Sachen Zinsänderungsrisiko befragt und auch hierzu keine Auskunft bekommen.
Die BayWa ist nach eigenen Angaben bis Ende 2028 durchfinanziert, sie will sich gesundschrumpfen. Den Umsatz will das Unternehmen in den nächsten Jahren halbieren und gleichzeitig profitabler werden.
Mehr zu diesem Thema gibt es heute ab 19.00 Uhr in der Sendung „mehr/wert“ im BR-Fernsehen.