Binden, Menstruationstassen, Periodenunterwäsche, Schwämmchen, Tampons – es gibt verschiedene Alternativen für die Menstruationshygiene. Viele Frauen wählen Tampons, Einmalprodukte, die nach Gebrauch entsorgt werden. Im Schnitt verbraucht jede Frau während ihrer Periode bis zu vier Tampons am Tag, die jeweils mehrere Stunden in der Vagina bleiben. In ihrem Leben kommen so etwa 7.400 Tampons zusammen. Umso nachdenklicher stimmen die Ergebnisse einer Studie der UC Berkeley [externer Link], nach der in Tampons giftige Metalle nachgewiesen werden konnten.
Tampons bestehen aus Baumwolle und/oder Viskose, die in die Scheide eingeführt werden, um Menstruationsblut aufzusaugen und zurückzuhalten. Sie haben einen saugfähigen Kern, eine äußere Vliesstoffhülle, einen Rückholfaden und können auch einen Applikator (aus Pappe oder Kunststoff) zum Einführen haben.
Giftige Metalle und Nichtmetalle in allen Tampons
Insgesamt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Konzentrationen von 16 Metallen und Halbmetallen (Arsen, Barium, Kalzium, Cadmium, Kobalt, Chrom, Kupfer, Eisen, Mangan, Quecksilber, Nickel, Blei, Selen, Strontium, Vanadium und Zink) in 30 Tampons von 14 Tamponmarken und 18 Produktlinien untersucht und die Konzentrationen verglichen.
Die Forschenden fanden die meisten Metalle und Halbmetalle in allen Tampons. Nur die beiden giftigen Metalle Chrom und Quecksilber wurden nicht oder nur in einem kleinen Prozentsatz gefunden, sagt Kathrin Schilling, Assistenzprofessorin für Environmental Health Sciences an der Columbia University in New York City und Mitautorin der Studie. Ein interessantes Untersuchungsergebnis, denn eine frühere Untersuchung hatte eine Korrelation zwischen Tampon-Nutzung und einem leicht, allerdings nicht statistisch signifikant höheren Quecksilber-Gehalt im Blut gefunden; was die Forschungsgruppe der aktuellen Studie dazu veranlasste, insgesamt nach Metallen in Tampons zu suchen.
Blei, Cadmium und Arsen in allen Tampon-Proben
Dafür wurden in allen Proben Blei, Cadmium und Arsen gefunden. Die Metallkonzentrationen unterschieden sich je nachdem, in welcher Region die Tampons gekauft wurden (ob in den USA, in der EU oder Großbritannien), ob sie aus biologischem oder nicht-biologischem Anbau stammten und ob es sich dabei um Markentampons handelte oder nicht. Die Bleikonzentrationen waren bei nicht biologischen Tampons höher, während die Arsenkonzentrationen bei Biotampons höher waren. „Wir wollten einen groben Überblick, wie viel von jedem Metall in den Tampons enthalten ist. Was für uns überraschend oder auch schockierend war, dass wir Blei gefunden haben“, sagt Schilling.
Blei sei in jeglicher Konzentration giftig und besonders bei häufigem Kontakt problematisch, so Schilling: Blei habe eine Halbwertzeit im Körper von 10 bis 30 Jahren. Deshalb sollte man jeden vermeidbaren Kontakt aus dem Wege gehen. Häufig genug ist das nicht möglich, denn das giftige Schwermetall kommt in der Umwelt vor – zum Beispiel im Wasser. In Deutschland gibt es Grenzwerte für Blei im Trinkwasser. Ein Liter darf maximal 0,010 mg/l enthalten, so das Umweltbundesamt [externer Link]. Ein Tampon, in einem Liter Wasser gelöst, setzte deutlich mehr Blei frei.
Zwar sind Tampons kein tägliches Lebensmittel, sondern werden nur einige Tage im Monat verwendet, aber in Summe kommt eine Frau bei regelmäßiger Nutzung auf über 7.000 Tampons in ihrem Leben. „Das ist schon ziemlich viel Blei, dem man theoretisch ausgesetzt sein könnte“, meint Schilling, schränkt aber ein: „Keine Panik, wir wissen ja noch nicht, ob all das Blei, was in diesem Tampon ist, wirklich in den Körper übergehen kann.“ Inwieweit über die Vagina Stoffe anders als zum Beispiel durch Trinken oder Essen aufgenommen und wie schnell diese dann verstoffwechselt werden können, ist ein komplexes Zusammenspiel aus diversen Faktoren, wie dem Alter der Frau, dem ph-Wert der Schleimhaut, der Menstruationslänge etc. Dazu bedarf es noch genauerer Untersuchungen.
Auch für Arsen gilt – es ist immer giftig. Dabei geht es nicht nur um Menschen wie Metallarbeiter, die akut höheren Dosen ausgesetzt sind und wo höhere Konzentrationen nachweisbar sind. „Man hat jetzt nachgewiesen, dass auch geringe chronische Dosen irgendwann mal zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder zu Diabetes führen können“, sagt Schilling. Und deswegen werden in den USA die Grenzwerte für Arsen im Wasser überarbeitet. Ein Problem ist, dass die Herabsetzung von Grenzwerten auch immer eine Frage des Geldes ist, denn intensivere Filterung kostet mehr Geld.
Für Elisabeth Mertl, Forscherin am österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI), ist das Ergebnis der Studie allerdings wenig überraschend. Sie forscht schon länger an der Zusammensetzung von Menstruationsprodukten und wie diese auch besser reguliert werden könnten. Bei den Metallen aber seien ihrer Einschätzung nach die Mengen sehr gering und: „Wenn ich etwas finden will, in minimalen Mengen, dann werde ich das in fast allen Produkten finden.“ Mertl arbeitet bei dem Technischen Komitee 338 der sogenannten ISO-Gruppe mit, einer internationalen Arbeitsgruppe, die daran arbeitet, einen Standard für Menstruationsprodukte zu entwickeln. Ziel ist es, dass bis Ende 2026 so ein Standard publiziert wird.
Tampons weiter benutzen oder nicht?
Wie hoch die Gesundheitsrisiken wirklich sind, lässt sich momentan schwer abschätzen. Dazu bedarf es weiterer Studien. „Ich würde jetzt nicht den Ratschlag geben, keine Tampons mehr zu benutzen. Wer die benutzen möchte, kann die gerne benutzen“, sagt Schilling. Es sei die erste Studie in dieser Richtung und im Weiteren müsse geschaut werden, wie viele der Metalle und Nichtmetalle sich bei der Benutzung tatsächlich auch lösen.
Auch Mertl rät, in Bezug auf diese Studie nicht in Panik zu geraten, da die Konzentrationen, die in den Tampons gefunden wurden, „sehr, sehr gering“ seien. Die Ergebnisse sind Mertls Ansicht nach für Frauen, die solche Produkte verwenden, nicht wirklich aussagekräftig in puncto Risiko. Bei Binden oder eine Menstruationstasse als Alternative zu Tampons könnten wiederum andere Risiken auftreten.
Bei einer Menstruationstasse zum Beispiel habe man „tendenziell weniger Chancen auf bestimmte Substanzen“, so Mertl, weil man dieselbe Tasse längere Zeit verwende. „Aber auf der anderen Seite habe ich da vielleicht viel mehr mikrobiologische Aspekte, auf die ich achten muss. Wie gut kann ich das reinigen? Habe ich generell eher eine Tendenz, dass ich vielleicht öfters mal Infektionen im Intimbereich habe? Das sind andere Aspekte, die man dann bei der Auswahl für sich selbst in Betracht ziehen muss.“
Was für die Endverbraucherinnen wichtig sei, sei, sich selbst zu beobachten. Bei möglichen Problemen solle man hinterfragen, ob das jeweilige Produkt das richtige sei und ein anderes probieren. Es gäbe eine Vielfalt an Menstruationsprodukten: „Vielleicht probiert man mal ein anderes Produkt aus? Wie reagiert der Körper darauf und so weiter? Das ist sicherlich etwas, was man als Konsumentin machen kann. Und was natürlich auch möglich ist, ist beim Hersteller oder bei den Herstellern mehr Kennzeichnungspflicht, mehr Informationen einzufordern.“
Woher kommen die giftigen Metalle in den Tampons?
Warum Tampons mit giftigen Metallen verunreinigt sind, darüber können die Wissenschaftler nur mutmaßen. Ein Erklärungsansatz ist, dass die Baumwollpflanzen beim Wachstum mit verunreinigtem Boden und Wasser in Kontakt gekommen sind. Auch beim Herstellungsprozess kann es zu Abrieb der Maschinen kommen. Manche Metalle könnten auch zugesetzt worden sein. Zink zum Beispiel hat eine antibakterielle Wirkung. Doch genaueres können die Forschenden nicht sagen, da die Hersteller nicht dazu verpflichtet sind, die Zusammensetzung dieser Hygieneprodukte zu veröffentlichen.
Das Ziel der Studie: Regeln und Kontrollen
Ziel sei es, mit der Studie darauf hinzuweisen, dass es an Regularien fehle und einen Anstoß zu geben, genauer hinzuschauen, so Schilling. Die Hersteller könnten verpflichtet werden, die Inhaltsstoffe ihrer Produkte transparenter zu machen und mehr Informationen auf die Produktverpackungen zu schreiben – zum Beispiel über das Herkunftsland der Rohprodukte wie Baumwolle. Denn in Indien zum Beispiel gäbe es eine höhere Konzentration von Arsen im Wasser.
Außerdem sollten die Produkte und auch die Rohmaterialien auf toxische Stoffe getestet werden. Zudem sollte der Produktionsablauf unter die Lupe genommen werden, an welcher Stelle Metalle ins Produkt gelangen könnten.
Die Studie zieht schon erste Handlungen nach sich: Die Food Drug Administration (FDA) in den USA und die Health Canada hätten sich die Studie bereits genauer angeschaut, sagt Schilling. Sie wollen jetzt eine Risikobewertung vornehmen und über Regularien nachdenken.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland geht davon aus, dass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Nutzung von Tampons zu erwarten seien. Trotzdem gilt auch hier: „Obwohl die Aufnahme im Vergleich zur Gesamtaufnahme aus anderen Quellen vernachlässigbar ist, sollten die Schwermetall-Gehalte weiterhin durch verantwortungsvolle Rohstoffauswahl und gute Herstellungspraxis abgesenkt werden“. Für Blei gilt das ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable), schreibt das BfR auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks.