Vier Wochen sind vergangen, seitdem das sogenannte Studierendenparlament der Universität Würzburg einen weitreichenden Beschluss gefasst hat. Das Gremium warf dem Lehrstuhl für Neueste Geschichte eine „neurechte Diskursverschiebung“ vor. Diese schweren Vorwürfe zogen weite Kreise. Der Inhaber des Lehrstuhls wehrte sich entschieden. Nun hat das Bayerische Wissenschaftsministerium eingegriffen und zu einem Gespräch geladen. Mit dem Ergebnis: Die kritisierten Äußerungen und Publikationen seien „in keiner Weise zu beanstanden“.
Mitarbeiter hatten Vorwürfen widersprochen
Zu dem Gespräch hatte das Ministerium Professor Paul Pauli, den Präsidenten der Universität, geladen – genauso Professor Peter Hoeres, den Inhaber des kritisierten Lehrstuhls. Hoeres hatte die Vorwürfe zuvor als eine politisch motivierte Kampagne bezeichnet, die von linken Studenten initiiert sei. Rückendeckung erhielt er von Kollegen, aber auch von studentischen Hilfskräften. Diese betonten: Die Vorwürfe seien haltlos, mit ihnen habe das Studierendenparlament nicht gesprochen. Wissenschaftliche Mitarbeiter des Lehrstuhls wandten sich in einem Brief an die Uni-Leitung und appellierten an deren Fürsorgepflicht.
Ministerium will Fall befrieden
Aus dem Ministerium heißt es nach dem Gespräch: „Die Hochschulleitung wird auch in Zukunft ihre Fürsorgepflicht vollumfänglich wahrnehmen und die Freiheit von Forschung und Lehre gewährleisten.“ Der Hochschulfriede solle gewahrt bleiben.
Doch der Umgang der Uni-Leitung mit dem Fall wirkt unglücklich. Er sorgte zuletzt von verschiedener Seite für Kritik. „Offenbar wusste die Universitätsleitung schon lange von den diffusen Vorwürfen“, schreibt der Würzburger Politikwissenschaftler Thomas Kestler. Wie auch viele weitere Wissenschaftler (externer Link, möglicherwiese Bezahl-Inhalt) sprang er dem Lehrstuhl öffentlich zur Seite. „Es verschlägt einem die Sprache angesichts dieser Vorgänge“, sagt Kestler.
Uni-Leitung bereits vor Beschluss informiert
Tatsächlich legen Protokollnotizen, die dem BR vorliegen, nahe, dass die leitende Ebene der Universität weit vor dem Beschluss über die Vorwürfe informiert war. Vertreter des „Studentischen Sprecher*innenrats“ befanden sich mehrere Wochen vorab im Austausch mit leitenden Personen der Uni. Verschiedene Medien hatten zuletzt darüber berichtet.
Nach BR-Informationen soll es bereits im vergangenen Dezember aus Reihen des Lehrstuhls Versuche gegeben haben, ein klärendes Gespräch zu vereinbaren. Über Umwege waren demnach erste Anschuldigungen am Lehrstuhl angekommen. Wiederholt soll Professor Hoeres versucht haben, einen Termin mit einem der Vizepräsidenten der Universität zu erhalten. Doch demnach gab es bis Februar lediglich ein Telefonat – ohne den Mitarbeiter des Lehrstuhls, gegen den sich wesentliche Anschuldigungen richteten. Dabei wurde im Frühjahr, so geht aus den Protokollnotizen hervor, zwischen dem „Studentischen Sprecher*innenrat“ und leitenden Personen der Uni bereits darüber gesprochen, ob es möglich sei, alternative Lehrangebote einzuführen.
Uni-Leitung äußerte sich nur mit wenigen Sätzen
Professor Andreas Dörpinghaus, einer der Vizepräsidenten der Uni, hat auf eine Anfrage nicht reagiert. Die Pressestelle der Uni bittet um Verständnis, sich derzeit nicht weiter äußern zu wollen. Vergangene Woche hatte die Uni eine einseitige Pressemitteilung zu dem Fall verschickt. Da waren jedoch drei Wochen seit dem Beschluss vergangen. Interviewanfragen des BR hatte die Uni-Leitung zuvor nicht angenommen.
Studenten froh über Prüfung der Vorwürfe
Aus Reihen des „Studentischen Sprecher*innenrates“ heißt es nun, man sei froh, dass die Uni-Leitung eine „Task Force“ gebildet und die Vorwürfe ernst genommen habe. Der „Sprecher*innenrat“ sei froh über die ergebnisoffene Prüfung.
Außerdem hatte das Studierendenparlament zuvor Vorwürfe gegen einen Mitarbeiter des Lehrstuhls erhoben. Die Studentinnen und Studenten hatten den Verdacht, dass dieser unter einem Pseudonym wissenschaftliche Texte für das neurechte Magazin „Sezession“ geschrieben hat. Ein Vorwurf, den der Wissenschaftler gegenüber BR und „Main-Post“ einräumte. Er verwies darauf, dass die Texte bereits elf Jahre alt seien. Er habe sich vor langer Zeit von den Herausgebern distanziert.
Die „Sezession“ wurde vom „Institut für Staatspolitik“ herausgegeben. Das Blatt wurde weit nach Veröffentlichung der umstrittenen Texte als rechtsextrem eingestuft.
Zusätzliches Lehrangebot an Geschichtslehrstuhl
Für die Zukunft soll an dem Lehrstuhl ein zusätzliches Lehrangebot eingerichtet werden. Präsident Paul Pauli und Lehrstuhl-Inhaber Peter Hoeres hatten sich bereits darauf verständigt. Zu den Inhalten dieses Lehrangebots haben sich Ministerium und Uni-Leitung bislang nicht geäußert.
Transparenzhinweis: Der Autor dieses Beitrags war nach seinem Studium zeitweise an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Würzburg beschäftigt. Er hatte in dieser Zeit keinen Kontakt zu den Lehrstühlen für Geschichte.