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Sie sind mittlerweile in einigen Autos Standard, aber bei Debatten über die Ablenkungsgefahr im Auto weniger im Mittelpunkt: festinstallierte Touchscreens. Dabei ist ihr Ruf nicht überall gut.
„(…) Leider ist es bei manchen Fahrzeugen noch nicht mal mehr möglich, die Einstellung der Heizung einfach zu ändern. Dafür muss man extra ins Menü und Einstellungen und und und. Lenkt alles nur ab“, kommentierte BR24-User „Spatzl“ kürzlich. Mehrere Nutzer sahen das ähnlich. „(…) Zumal man beim Touchscreen hinschauen muss und somit in dieser Zeit blind fährt. Die Bedienung ist bei vielen neuen Autos ein Sicherheitsrisiko!“, argumentierte „Ich13“.
„In modernen Autos sind mittlerweile so viele Funktionen verbaut, dass es einfach nicht mehr praktikabel ist, für jede dieser Funktionen einen eigenen Taster oder Schalter vorzusehen“, erklärt Michael Praxenthaler, Referent für Verkehrspsychologie beim Allianz Zentrum für Technik. Durch den Umstieg auf Touchdisplays sind die Produktionskosten geringer. Updates bringen die Systeme auf den neuesten Stand. Doch es ist eine Herausforderung, alles übersichtlich zu bündeln und gleichzeitig ablenkungsarm zu gestalten.
Untersuchungen: Auch Touchdisplays lenken ab
Das Allianz Zentrum für Technik hat in Studien festgestellt, „dass durch die Integration von Touchbildschirmen die Ablenkung im Fahrzeug enorm steigt“, so Praxenthaler. Das deckt sich mit anderen Untersuchungen, etwa vom ADAC (externe Links). Häufig zitierte Berechnung: Eine Sekunde Blick weg von der Straße bedeutet bei 50 km/h Fahrttempo 14 Meter Blindfahrt.
„Ziel ist es, systemrelevante Funktionen auf der ersten Ebene zu verankern – und nicht erst in Untermenüpunkten zur Verfügung zu stellen“, heißt es von einer Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie zum Aufbau der Touchscreen-Menüs. Es werde „alles dafür getan, damit die Zeit für den Blick weg vom Verkehrsgeschehen möglichst kurz bleibt“.
Aus Sicht der Unfallforschung der Versicherer im GDV ist es wichtig, über das Thema zu sprechen: „Denn viele unterschätzen die Gefahr, die von Ablenkung ausgeht“, sagt Leiterin Kirstin Zeidler. Es fehlten genaue Zahlen – das Dunkelfeld sei riesig.
Straßenverkehrsordnung: Kurzer, angepasster Blick
Laut Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung darf zur Bedienung eines verankerten elektronischen Geräts „nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen“ erfolgen. Genauere Zeitangaben stehen dort nicht. In einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe von vor ein paar Jahren steht: Es komme nicht darauf an, welchen Zweck der Fahrer mit der Bedienung verfolgt. Auch wer zum Fahren notwendige Funktionen über den Touchscreen einstellen will, darf nur kurz hinschauen.
Bislang gibt es kaum gesetzliche Vorschriften zur Gestaltung der Touchfunktionen. Auf EU-Ebene wurde laut Automobilindustrieverband unter anderem geregelt, dass Touchdisplays keine komplexen Eingaben während der Fahrt erfordern dürfen.
„Im Laufe der Jahre haben sich immer mehr Funktionen in der Tiefe der Touchdisplays verborgen. Knöpfe wurden abgeschafft, Displays wurden größer“, erklärt Zeidler von der Unfallforschung. „Doch die Hersteller haben erkannt, dass das Ablenkungspotenzial birgt. Wir begrüßen, dass sie zunehmend dazu zurückkehren, dass Funktionen, die wichtig für die Fahraufgabe sind, intuitiv über Knöpfe bedienbar sind.“
Denn Verkehrspsychologe Praxenthaler erklärt, der Mensch brauche beim Autofahren etwas zum „Festhalten“: „Etwas zu ertasten und ein Feedback zu bekommen, ist wichtig. Bei Touch ist es oft so: Ich muss zweimal draufschauen. Das erste Mal, um überhaupt das Touchfeld beziehungsweise die App zu finden. Und zum Zweiten, um beispielsweise zu sehen, ob ich überhaupt das richtige erwischt habe und ob die Funktion, die ich wollte, jetzt aktiv ist.“
Auf Spracheingabe setzen?
Auch BR24-User kommentierten, dass ihnen teilweise „alte Bedienkonzepte“ wie Dreh- oder Schieberegler lieber seien – so etwa „all4one“. Daraufhin brachte „Holly2602“ eine weitere Funktion ins Spiel: „Wenn das Auto so eine komplexe Touchscreen-Führung hat, geht das mit Sicherheit alles auch mit Spracheingabe.“
Die Sprachsteuerung sei auf einem guten Weg, so die Experten. Vom Verband der Automobilhersteller wird sie explizit genannt, um die Sicherheit beim Fahren zu erhöhen. Ein wachsender Fokus liege auch auf der Fähigkeit der Systeme, frühere Befehle, Nutzungsverhalten und Umgebungsfaktoren einbeziehen.
Kombination aus Sprache, Touch und Co.
In Praxenthalers Augen ist es sinnvoll, verschiedene Modalitäten zu kombinieren, beispielsweise Sprach- und Touchfunktionen. Gleichzeitig fordert das Allianz Zentrum für Technik, aber auch der ADAC, dass fahr- und sicherheitsrelevante Funktionen, wie Scheinwerfer oder Scheibenwischer, über Schalter oder Hebel bedienbar sein sollten.
Und es wird weiter geforscht, etwa an Möglichkeiten, wie Fahrer beim Bedienen der Touchscreens haptisch mehr Rückmeldung bekommen. Auch vermehrt personalisierte Einstellungen und der Einsatz von KI sollen künftig Ablenkung verhindern.