Ein Kinder-Karatekurs in Furth im Wald: Zu Beginn der Stunde singen die Kinder gemeinsam ein Lied über das Stark-Sein. Dann kommt der Kampfschrei „Kiai“, der bei Karate dazu dient, Körper und Geist in Einklang zu bringen.
Viele Kampfsportschulen üben auch eine „starke Stimme“
Zusätzlich üben die Drei- bis Sechsjährigen regelmäßig den Satz „Stopp, lass mich in Ruhe!“, laut und deutlich, in aufrechter Körperhaltung. Für die Übung kommt dabei ein Bein in den Ausfallschritt. Die Hände zeigen abwehrend nach vorne. Im Ernstfall muss diese Haltung nicht sein, aber innerlich sollen sie dran denken: „Stimme ist auch ein Ausdruck von Selbstbewusstsein und Stärke“, sagt Thomas Geiger, der Leiter der Karateschule. Sie ist oft der „erste Schritt, um Grenzen zu setzen“. Deshalb gehöre eine „starke Stimme“ genauso zum Training wie Karate-Techniken. „Für die Kinder ist es wichtig, um sich selbst kennenzulernen, und um zu merken, was kann ich tolerieren, was nicht“, sagt Karatetrainerin Emily Götz, „und wie kann ich es dann artikulieren, ohne dass ich jemandem schade.“ Es geht also darum, Konflikte gewaltfrei zu lösen.
Kinder lernen, Alltagskonflikte zu lösen
Die Eltern vieler Karate-Kinder beobachten, dass ihre Kinder durch die Übungen tatsächlich besser mit den typischen Alltagskonflikten von Kindern untereinander umgehen können. Die Mutter der fünfjährigen Amelie erzählt zum Beispiel, dass ihre kleine Tochter zwar immer noch „Respekt hat vor jedem. Aber wenn ihr etwas nicht passt, dann traut sie sich mittlerweile, das auch deutlich zu sagen“, zum Beispiel auf dem Spielplatz. Vom Kindergartenpersonal gebe es dafür positive Rückmeldungen. Dem Vater von zwei kleinen Karate-Jungs ist wichtig, dass seine Kinder Selbstvertrauen haben. Er selbst habe als Jugendlicher „zugeschlagen“, wenn er gemobbt wurde. „Es wäre aber wahrscheinlich besser gewesen, wenn ich damals wortgewandter gewesen wäre.“
Wie erkennen Eltern, ob ein Kurs gut ist?
Präventionsprogramme gegen Gewalt und Mobbing gibt es auch an den Schulen. Immer mehr Eltern interessieren sich aber auch für kommerzielle Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse. Aber nicht alle sind empfehlenswert. Jörg Breitweg, Experte für Gewaltprävention bei der Aktion Jugendschutz Bayern, empfiehlt dazu einen Leitfaden des „Petze-Instituts für Gewaltprävention“. Hier wird zum Beispiel von Anbietern abgeraten, die mit angsteinflößenden Bildern werben. Prävention wirke nur, wenn sie angstfrei vermittelt wird. Unseriös sei auch, wenn der Kursschwerpunkt auf Angriffen durch fremde Täter liegt, weil Übergriffe oft im nahen sozialen Umfeld erfolgen. Die Kurse sollten mehrtägig sein, die Gruppengröße maximal zwölf Kinder umfassen.
Selbstbehauptung ist ein längerer Prozess
Eltern dürften sich auch keine Wunder von einzelnen Übungen wie zum Beispiel dem Stopp-Sagen erwarten, sagt Jörg Breitweg. Selbstbehauptung sei ein längerer Prozess, der auch mit zur Erziehungsaufgabe der Eltern gehöre. Kinder und Jugendliche sollten lernen, sich angemessen und gewaltfrei zu wehren, aber nicht „drüber zu gehen“. „Auf einen blöden Spruch kann man erstmal humorvoll reagieren.“ Der nächste Schritt sei, freundlich zu signalisieren, dass man etwas nicht möchte. Kinder und Jugendliche müssten aber wissen, dass sie Hilfe von Erwachsenen holen sollen, wenn alles andere nichts nutzt. Sie dürften nicht denken, dass sie alle Konflikte alleine lösen müssen.