Bereits vor gut zwei Monaten hatte die schwarz-rote Koalition den Grundstein für ihre Entscheidung zum Verbrenner-Aus gelegt, die der Koalitionsausschuss jetzt offiziell beschlossen hat. Auf der Automesse IAA in München sprach sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gegen „einseitige politische Festlegungen“ aus – und damit gegen das geplante Verbrenner-Aus der EU-Kommission ab 2035.
Nun kündigte Merz an, einen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu schreiben. Darin möchte er die Kommission offiziell bitten, neben rein batterieelektrischen Fahrzeugen nach 2035 auch Plug-in-Hybridautos und Elektroautos mit Range-Extender zuzulassen.
BMW: Verbrenner-Aus wäre „Desaster“ für Autoindustrie
Der Autoindustrie käme eine solche Lockerung entgegen. Hildegard Müller, Präsidentin des Branchenverbands VDA, sprach von einer „guten Nachricht“. Die Vorstandschefs der deutschen Hersteller BMW, Mercedes und Volkswagen hatten in den vergangenen Monaten mehr oder weniger deutlich dafür geworben, das Verbrenner-Aus aufzuweichen.
Während sie auf der IAA ihre neuesten Elektroautos präsentierten, forderten sie gleichzeitig eine Kurskorrektur der EU-Kommission. Mercedes-Chef Ola Källenius hatte in einem Brandbrief vor einem Kollaps des europäischen Automarktes gewarnt.
BMW-Chef Oliver Zipse setzt sich seit jeher für mehr Technologieoffenheit ein: Während sich viele Hersteller schon auf fixe End-Zeitpunkte für ihre Verbrenner festgelegt haben, will BMW flexibel bleiben. Obwohl die Münchner mit ihren Elektroautos – und denen der Tochtermarke Mini – auf deutlich mehr Marktanteil als andere kommen, begrüßt auch BMW den Brief der Bundesregierung. Der bisherige EU-Plan, so Zipse, sei ein Desaster.
Zur Begründung betont der Konzern erneut: „Mit der aktuell gültigen CO2-Regulierung ignoriert die EU-Kommission Marktrealitäten und riskiert Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in einer ihrer Schlüsselindustrien“, teilte der Konzern mit.
Autohersteller fürchten, CO2-Ziele der EU nicht einhalten zu können
Hinter dem Alarm-Schlagen der Hersteller steckt die Angst, die derzeitigen EU-Ziele nicht erreichen zu können. Zwar wächst die Elektromobilität auf dem weltgrößten Automarkt in China rasant, doch in Europa bleibt sie hinter den Erwartungen zurück. Die deutschen Konzerne mussten deshalb wiederholt ihre Ziele und Prognosen nach unten korrigieren.
Zum schwachen Absatz kommt hinzu, dass die Ladeinfrastruktur in einigen europäischen Ländern nur schleppend ausgebaut wird. Die Hersteller beklagen außerdem die hohen Stromkosten in Deutschland, wodurch E-Autos nicht attraktiv genug seien.
IG Metall unterstützt Autoindustrie, fordert aber Zugeständnisse
Unterstützung bekommen die Konzerne von den Arbeitnehmern. Kürzlich sprach sich Bayerns IG-Metall-Bezirksleiter Horst Ott ebenfalls für eine Lockerung aus. Allerdings will er dies an eine Bedingung knüpfen: Die Hersteller sollten den Zeitgewinn nutzen, um die Arbeitsplätze in den deutschen Werken zu sichern.
Denn: Selbst falls die EU den Herstellern entgegenkommen sollte, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Arbeitsplätze hierzulande sicher sind. Schon seit Jahren verlagern Hersteller Teile der Produktion ins Ausland und begründen das unter anderem mit hohen Lohn- und Energiekosten sowie ausufernder Bürokratie.
Experte: Lockerung von Verbrenner-Aus könnte Käufer verunsichern
Autoexperten wie Stefan Bratzel sprachen sich allerdings bereits in der Vergangenheit dagegen aus, die EU-Ziele wieder aufzuweichen. „Wenn man das Ziel wieder einkassiert oder verwässert, hat das negative Folgeeffekte“, sagte Bratzel auf der IAA dem BR. Dies verunsichere viele Käufer nur noch mehr, so dass diese lieber abwarten und weiter ihre alternden Fahrzeuge fahren würden.
EU-Kommission will noch dieses Jahr über Verbrenner-Aus entscheiden
Die EU-Kommission hatte nach Druck aus der Industrie angekündigt, die Verordnung noch in diesem Jahr überprüfen zu wollen. Ein Vorschlag dafür wird für den 10. Dezember erwartet. Eine Kommissionsprecherin sagte, man habe zahlreiche Rückmeldungen erhalten, „nicht nur von der deutschen Regierung“.
Offenbar gibt es in Brüssel zumindest die Überlegungen, das Verbrenner-Aus zu lockern – zugleich aber die Vorgaben für gewerbliche Fahrzeugflotten deutlich zu verschärfen. Das würde einerseits Privatkäufer entlasten, andererseits aber vor allem die deutschen Hersteller BMW, Audi und Mercedes hart treffen, weil Firmenkunden einen wesentlichen Anteil ihrer Neuzulassungen ausmachen.
Derzeit würden von den Fachleuten in Brüssel verschiedene Szenarien besprochen, es sei noch nichts entschieden, heißt es aus Kreisen der EU-Kommission dazu. Das letzte Wort zum Verbrenner-Aus ist also auch mit dem Brief der Bundesregierung noch längst nicht gesprochen.

