Um rund ein Grad dürfte die Temperatur im Allgäu bis 2054 im Winter ansteigen. Die Folge wären bis zu 20 Prozent weniger Tage mit Naturschnee in niedrigeren Lagen. Außerdem dürfte das Zeitfenster, in dem technische Beschneiung möglich ist, kleiner werden – ebenfalls um etwa 20 Prozent. Das hat der österreichische Klima-Dienst Geosphere Austria in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst anhand verschiedener Klimadaten und Prognosen berechnet. Die Allgäuer Bergbahninitiative hatte die Studie in Auftrag gegeben.
Skibetrieb vor allem in höheren Lagen weiterhin möglich
Besonders auf Skigebiete in niedrigeren Lagen werden sich die Veränderungen auswirken. Ein Skibetrieb wird nach Einschätzung der Experten aber auch in 30 Jahren noch im Allgäu möglich sein – vor allem in den höheren Lagen. „Das sind durchaus Änderungen, die man spüren wird“, sagte Andreas Gobiet von Geosphere Austria bei der Vorstellung der Studie an den Schwärzenliften in Eschach. „Es sind aber gleichzeitig auch keine Hiobsbotschaften im Sinne von ‚Es wird keinen Schnee mehr geben‘ – 20 Prozent sind eben 20 Prozent.“
Bergbahnen im Allgäu „flexibel aufgestellt“
Den Betrieb in einzelnen Skigebieten einzustellen, ist laut Gobiet aus klimatologischer Sicht derzeit nicht nötig. „Aus der Studie ist nicht abzuleiten, dass irgendetwas nicht mehr funktioniert“, sagt der Klima-Experte. Allerdings handele es sich dabei nicht um eine rein klimatologische, sondern auch eine betriebswirtschaftliche Frage, die jedes Gebiet für sich selbst entscheiden müsse. „Aber so gut wie alle Bergbahnen im Allgäu arbeiten auch im Sommerbetrieb und sind flexibel aufgestellt. Insofern sehe ich für die nächsten Jahrzehnte noch keine Alarmsignale.“
Weltweiter Klimaschutz entscheidend für Entwicklung im Allgäu
Allerdings hängt laut Gobiet viel von den weiteren weltweiten Bemühungen zum Klimaschutz ab. „In einem optimistischen Szenario, das in etwa dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 entspricht, würden wir tatsächlich auf diesem Niveau stabilisieren.“ In einem pessimistischen Szenario gehe die Erwärmung dagegen auch nach 2100 noch stark weiter. „Und dann kommen wir wirklich in eine Welt, wo es hier in der Region nicht mehr viel Schnee gibt. Das heißt: Klimaschutz ist für den Wintertourismus ein sehr wichtiges Thema.“
„Winter ist nicht das Allheilmittel“
Für die Bergbahnen kommen die Ergebnisse nicht überraschend. Die Entwicklung sei in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon absehbar gewesen, sagt Ralf Speck, Geschäftsführer der Alpspitzbahn in Nesselwang: „Gott sei Dank haben wir das schon immer im Hinterkopf gehabt, dass der Winter nicht das Allheilmittel ist und dass wir uns nicht auf dem Winter ausruhen dürfen.“ Seit mehr als 15 Jahren arbeite man bei der Alpspitzbahn schon am Ganzjahrestourismus. Im Jahr 2008 sei die Nesselwanger Bergbahn noch zu 85 Prozent vom Wintergeschäft abhängig gewesen, inzwischen mache das Unternehmen 70 Prozent seines Umsatzes im Sommer.
„Winter wird wichtig bleiben“
Für die Bergbahnen bedeuten die klimatischen Veränderungen, dass sie sich flexibler aufstellen müssen, um auf Wetteränderungen schnell reagieren zu können. Außerdem investieren die Betreiber vielerorts in neue und effizientere Beschneiungstechnik. So können die Schneeerzeuger auch schon bei weniger kalten Temperaturen eingesetzt werden. „Der Winter ist wichtig und wird auch weiterhin wichtig bleiben,“ sagt Henrik Volpert, Vorstand der Allgäuer Bergbahninitiative. „Aber wir können mit unseren Angeboten in Zukunft dank technischer Entwicklungen noch flexibler reagieren.“
Allgäu soll Ganzjahresziel bleiben
Stefan Egenter, Geschäftsführer der Tourismus- und Standortgesellschaft Allgäu GmbH, sieht die Region mit ihrer derzeitigen Winterstrategie auf dem richtigen Weg. Um ein Ganzjahresziel für Urlauber zu bleiben, setzen die Touristiker im Allgäu neben dem Wintersport seit Jahren schon auf Angebote, die ohne Schnee auskommen – wie Wandern, Radfahren, Wellness, Kulinarik und Kultur. Dieses Angebot soll laut Egenter in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. „Auf der einen Seite müssen wir das Kernangebot rund um das Skifahren und den Schneesport sichern und weiterentwickeln. Auf der anderen Seite müssen wir Angebote schaffen, die mit und ohne Schnee attraktive Reiseanlässe bieten. Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen.“

