Mitspielen kann er in seinem Alter nicht mehr, wie früher, als er bei den Proben gern vormachte, wie er sich eine Szene vorstellte. Heute schickt er seine Assistenten auf die Bühne. Der gebürtige Berliner Achim Freyer ist inzwischen 90, was ihm allerdings nicht anzusehen ist. Bei der Premiere seiner Inszenierung von Verdis „Don Carlos“ in Meiningen, wo viele unterfränkische Theaterfreunde, vor allem aus Würzburg, hin pilgern, war er förmlich ausgelassen und tänzelte ein paar Schritte durch die Kulisse.
„Lust, Verzweiflung, Engagement“
Freyer ist leidenschaftlicher Allround-Künstler: Maler, Illustrator und Grafiker. Er hat Kunst-Filme gemacht, Schauspiel und Musiktheater inszeniert. 1972 flüchtete er aus der DDR in den Westen und ist seitdem viel beschäftigt. Aber mit 90 hören andere eben doch allmählich auf. Was lässt ihn nicht ruhen? „Na, das Bild der Bilder malen, das ist mein Ziel, über Theater, über alles“, so der Künstler gegenüber dem BR: „Aber da kommt man nicht einfach hin, indem einem was einfällt, sondern das ist ein harter Weg, voller Lust, voller Verzweiflung, auch voller Engagement.“
Achim Freyer ringt mit dem perfekten Gesamtkunstwerk: Er stattet seine Arbeiten komplett aus, entwirft für die Mitwirkenden keine Kostüme, sondern „Skulpturen“, wie er es ausdrückt. Beim „Don Carlos“ waren sie aus Schaumstoff. Gezeigt werden Menschen, die irre werden an den Verhältnissen: „Die Industrialisierung hat sich ja längst in eine Welt entwickelt, die wir gar nicht mehr fassen können. Wir brauchen Abstände, um überhaupt noch sehen zu können, was passiert. Wir überrennen uns selbst, das ist alles eine Folge der Romantik.“
„Kunst macht Kinder glücklich“
Natürlich macht die Spaltung der Gesellschaft Achim Freyer Sorgen, speziell nach den Landtagswahlen. Ihm sind während der Probenzeit in Meiningen viele schwarz gekleidete Jugendliche mit Kurzhaarschnitten und Propaganda-T-Shirts aufgefallen, rechte Parolen seien zu lesen gewesen, gern werde in der Fußgängerzone mit lauten Motorrädern provoziert.
Er klammere sich angesichts solcher Beobachtungen förmlich an die Kunst, seufzt er: „Ich weiß, wenn Kinder Theater spielen oder malen und Musik machen, sind sie glücklich und sind nicht aggressiv und gefährlich, wie heute Kinder manchmal sind. Die Förderung von Kultur in den Schulen und Kindergärten ist unglaublich wichtig.“