Unter der weißen Folie kommt ein riesiger dunkelbrauner Berg zum Vorschein: Humus, also Kompost, gemischt mit Kohle-Stücken. Die Mitarbeiter vom Weingut Castell im Landkreis Kitzingen verteilen diese nährstoffreiche Erde jetzt zwischen den Rebzeilen in einem ihrer Weinberge. Das Ziel: Die Böden fit machen für die Zukunft, um unabhängig zu werden von künstlicher Bewässerung. Ein umstrittenes Thema im trockenen und heißen Unterfranken.
Kohle mit Kompost speichert Wasser im Boden
Denn dieses dunkelbraune Erdgemisch speichert etwa Regenwasser über längere Zeit im Boden. Enorm wichtig in Zeiten, in denen sich Starkregen und Hitze immer häufiger abwechseln. Dass mehr Humus im Boden (Link zu Podcast) gut ist für Gemüse, Bäume oder Wein, ist nichts Neues. Neu sind die Kohlestückchen in dem Mix. Winzermeister Matthias Englert sagt: „Kohle allein würde den Boden aussaugen. Aber in Kombination mit Kompost, also organischem Material, wird die Kohle energetisch aufgeladen.“ So kann sie Nährstoffe an den Boden abgeben und Wasser wiederum aufnehmen.
Kreislauf: Alte Reben werden zu Pflanzenkohle
Von den 75 Hektar Rebfläche, die das Weingut bewirtschaftet, haben Englert und sein Team jetzt ein Prozent mit dem Humus-Kohle-Mix versorgt. Es ist eine kleine Versuchsfläche. Das Besondere: Die Kohle wird aus alten Rebstöcken hergestellt. „Pyrolyse“ heißt das Ganze – ein Kreislauf, erklärt Weingutsleiter Peter Geil. „Das Weingut besitzt neben Weinbergen auch Waldfläche. Aus diesen Ressourcen wollen wir schöpfen und eigenes Material pyrolysieren.“ Geil erhofft sich davon zweierlei: Die Kohle soll zum einen den Kohlenstoff im Boden binden und damit die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre reduzieren, zum anderen die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens erhöhen.
Ähnliche Versuche im Obstbau zeigten keinen Effekt
Die Idee hat sich die Landesanstalt für Wein und Gartenbau (LWG) bereits im Obstbau angeschaut – und keine nennenswerten Effekte festgestellt. Daniel Heßdörfer von der LWG ist Experte für nachhaltigen Weinbau. Er hat eine Vermutung, warum das so ist: Der Humus-Kohle-Mix hat mehr Nährstoffe als die Weinstöcke überhaupt brauchen und nutzen können. Wenn zu viel organische Masse ausgebracht werde, bleiben Nährstoffe wie Nitrat übrig und landen letztlich im Grundwasser.
Kohle kein Ersatz für Bewässerung: Nur ein Baustein
Und da habe zu viel Nitrat (externer Link) nichts zu suchen. Heßdörfer ist eher skeptisch und glaubt, es stehen auch wirtschaftliche Interessen hinter dieser scheinbar revolutionären Methode. „Es ist eine teure Anwendung.“ Viel Kohle für Kohle. Eine Hoffnung, die die Winzer am Ende vielleicht mehr kostet, als es ihnen nutzt. Nice to have, könnte man sagen – aber die eine Lösung in Zeiten des Klimawandels ist die Idee nicht. „Es ist ein Baustein von vielen zur Anpassung an den Klimawandel (Link zu Video), was den Wasserhaushalt im Weinbau betrifft“, so Heßdörfer.
Wie groß der Effekt wirklich ist, will die LWG dennoch beobachten. Heßdörfer und sein Team begleiten den Versuch vom Weingut Castell in den nächsten Jahren. Eine Alternative zur Bewässerung ist die Kohle im Weinberg aber nicht. Die Pflanzen brauchen in diesen Zeiten auch weiterhin Wasser.