„Sprachstandserhebung“ – so heißt offiziell, was gerade an den bayerischen Grundschulen stattfindet. Zum ersten Mal testen Grundschulen vier- und fünfjährige Kinder, wie gut sie Deutsch sprechen. Der vierjährige Theodor kommt mit seiner Mutter an eine Münchner Grundschule. Die Familie spricht nur Rumänisch, Theodor geht aber in den Kindergarten und spricht deshalb Deutsch. 20 Minuten lang wird er nun von der Schulpsychologin der Schule getestet, nach einem vorgegebenen Verfahren. „Schere“, sagt die Schulpsychologin. Theodor hat auf dem Tablett vor sich vier Bilder zur Auswahl und soll das richtige auswählen.
Für die Schulen bedeutet die Sprachtest-Pflicht viel zusätzliche Arbeit. Sie bekommen die Namen und Adressen der Kinder, die in ihrem Sprengel wohnen. Diese müssen sie anschreiben, manchmal auch ein zweites oder drittes Mal, bis sich alle Eltern melden. Kinder, denen ihr Kindergarten bestätigt, dass sie ausreichend Deutsch sprechen, müssen nicht zum Test. Allerdings dürfen das nur staatlich geförderte Kindergärten. Alle anderen müssen alle Kinder zum Testen schicken.
Extra-Arbeit bringt Schulen an die Grenzen
Dazu kommt: Nur Schulpsychologen und Beratungslehrer dürfen diese Tests überhaupt vornehmen. Davon gibt es nicht an allen Schulen genügend. Und die Klassen der jeweiligen Lehrer müssen an Testtagen aufgeteilt werden oder es muss ein Vertretungslehrer gefunden werden.
Die Schulleiterin der Münchner Grundschule findet die Idee grundsätzlich gut, Kinder schon vor der Einschulung zu fördern, sie fit für den Schulstart zu machen. Die zusätzliche Arbeit bringt sie, ihre Verwaltungsangestellte und ihr ganzes Team aber an seine Grenzen. Das Verfahren sei unausgereift, sagt sie. „Die Kinder kommen für 20 Minuten zu uns. Da wird kein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Wenn das Kind den Test nicht besteht, ist das erste Schulerlebnis ein negatives.“
Wenig Zeit, wenig Vertrauen
Auch die Schulpsychologin ist nicht glücklich darüber, wie die Tests ablaufen. „Die Ergebnisse entsprechen nicht unbedingt den Sprachkenntnissen, weil die Kinder nur 20 Minuten Zeit haben, sich zu beweisen. Sie sind vielleicht verschüchtert, müde, an einem Tag nicht gut drauf.“ Zudem würden artikulatorische Probleme bei dem Test überhaupt nicht erfasst – ein Mangel, findet sie. Außerdem müsse alles schnell, schnell gehen, für Beratung sei keine Zeit.
Kinder, die den Test nicht bestehen, müssen in ihrem letzten Kindergartenjahr einen Vorkurs besuchen. Der findet teilweise an der Grundschule, teilweise auch im Kindergarten statt. Kindern, die keinen staatlich geförderten Kindergarten mit integriertem Vorkurs besuchen, droht der Kindergarten-Wechsel. Fraglich ist, ob es ab Herbst genügend Vorkurse geben wird.
Stolz: „Kein Kind durchs Raster fallen lassen“
Laut Kultusministerium sind im Jahr 2026/27 voraussichtlich 130.000 Kinder schulpflichtig. Zu den Sprachtests werden rund 40.000 Kinder bayernweit erwartet. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) sieht die zusätzliche Arbeitsbelastung der Grundschulen. BR24 sagt sie, das Verfahren sei neu, Abläufe noch nicht eingespielt. Derzeit sammle man bayernweit Rückmeldungen der Schulen, um sich dann damit auseinanderzusetzen. Notwendig seien die Tests allemal, so die Ministerin, denn rund ein Drittel eines Kita-Jahrgangs habe solche Sprachdefizite, dass es dem Unterricht nicht folgen könne.
„Wir wollen mit den neuen Tests so früh wie möglich diese Kinder erkennen, um sie flächendeckend so früh wie möglich fördern zu können. Ein erfolgreicher Schulstart ist Grundvoraussetzung für ein gutes und selbstbestimmtes Leben.“ Die Botschaft: „Wir lassen kein Kind durchs Raster fallen.“
Ausreichend Vorkurse im kommenden Schuljahr?
Die Personalversorgung sei eine große Herausforderung, trotzdem sollen laut Stolz im kommenden Schuljahr weitere Vorkurs-Angebote geschaffen werden. „Notfalls sitzen mal ein, zwei Kinder mehr in einem Vorkurs, als dass diese Kinder gar kein Förderangebot erhalten.“
Theodor hat den Sprachtest nicht bestanden. Allerdings nur, weil er beim vierten und letzten Teil nicht mehr mitmachen wollte: Er sollte Sätze nachsprechen, das wollte der Vierjährige ganz offensichtlich nicht. Seine Mutter ist enttäuscht. „Er ist klein, der Test ist nicht schwierig, aber die Frau ist neu für ihn. Ich glaube, er lernt noch besser Deutsch im Kindergarten.“