Ob Dior, Gucci oder Hermes – der Vorwurf in TikTok Videos ist derzeit immer derselbe: Luxusartikel werden sehr billig in China hergestellt und dann zum Beispiel mit dem Label „made in Italy“ äußerst teuer angeboten. Es kursieren Zahlen, dass die Produktion einer Tasche weniger als 2.000 Euro kostet – die dann für mindestens 10.000 Euro verkauft wird. Eine 100-Dollar-Leggin von Lululemon ist in China angeblich für 5 bis 6 Dollar erhältlich. Zwar ohne Logo der kanadisch-amerikanischen Modemarke, aber aus derselben Produktionslinie.
Für den Luxusmarkenexperte Frank Müller sind die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen. „Es ist in der Branche bekannt, dass manche Luxusmarken mehr im Ausland produzieren, als sie gegenüber den Kunden offenlegen“, zitiert ihn die Schweizer Handelszeitung.
Warum kommt der TikTok-Trend gerade jetzt auf?
Trends kommen und gehen. Mal ist es die Dubai Schokolade, mal werden Produkte auf TikTok aufgeschnitten, um zu zeigen mit welch billigen Materialien sie produziert werden. Trittbrettfahrer springen schnell auf, heißt es von Experten. Aufmerksamkeit sei für Influencer wichtig und viel wert. Sie leben von Klicks und Werbung.
Außerdem darf bei der chinesischen App TikTok der derzeit tobende Handelsstreit nicht vergessen werden. So meint Jon Christoph Berndt Marken-Mensch der Münchner Brandamazing GmbH, dass das, was auf TikTok passiert ist wohl zu einem guten Teil auch politisch und staatlich von China gesteuert sei. Es gehe darum, einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben. Europäische Marken würden vor allem deshalb angegriffen, weil Verbraucher bei Luxusartikeln eher an Schweizer, französische oder deutsche Hersteller im Bereich Uhren, Mode, Accessoires denken.
Dem Marketing-Sachverständigen Nils-Peter Hey zufolge haben chinesische Hersteller bei Konsumartikeln, wie etwa Handys, zwar aufgeholt. Sie würden gute Qualität zu günstigen Preisen bieten. Bei Luxusartikeln mit großen Margen seien chinesische Hersteller aber noch im Hintertreffen.
Mit welchen Auswirkungen ist zu rechnen?
TikTok ist eine mächtige App, die von Millionen genutzt wird. Von daher sind die Folgen von Videos dort nicht zu unterschätzen, sagen Experten. Hersteller und Marken müssen das heutzutage im Blick haben. Mancher schaut jetzt vielleicht schon nach Alternativen, nimmt eine qualitativ gute Tasche, die er günstiger bekommt. Andererseits meint Nils-Peter Hey: „Die Marken leben nicht von kritischen Verbrauchern. Es geht um den Statusnutzen. Wer den Status will, wird sich in der Gruppe nicht mit dem Plagiat erwischen lassen wollen.“ Von daher dürften seiner Meinung nach nicht mehr Imitate verkauft werden. Dazu ist das Plagiat immer auch Werbung für eine Marke. Die Hersteller werden die Preise nicht senken.
Oder wie es Jon Christoph Berndt beschreibt: Wer in seiner reichen Kitzbühel- Dubai-Blase steckt, den wird das nicht wirklich interessieren. Es ist, wie in einem angesagten Club mit Türsteher: Wer „in“ ist und die Original-Tasche hat, ist drin. Die Preise werden die Hersteller auch Berndt zufolge nicht senken. Das wäre der Kardinalfehler, der Anfang vom Ende. Die Marken und Hersteller sollten jetzt nicht in eine Rechtfertigung verfallen – und das werden sie wohl auch nicht tun.