2011. Auf der „Döga“, einer Döner-Messe in Düsseldorf, wird Kadir Nurman für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Und das besteht vor allem darin, 1972 in Berlin die erste Dönerbude eröffnet zu haben: am Bahnhof Zoo. Den Döner gab es für 1,50 Mark. Trotzdem dauerte es eine Weile, bis das Projekt ein Erfolg wurde: „Anfangs sind natürlich alle vorbeigelaufen“, erzählte Nurman zurückblickend Bayern 1: „Aber später, wenn jemand es einmal gegessen hat: Dann: ‚Oh, schmeckt gut. Und billig'“.
Kommt der Döner aus Reutlingen?
Zwei Dinge stehen fest: Das Datum 1972 – und: Reich ist Nurman, der 2013 verstarb, mit seiner Innovation nicht geworden. Aber war dieser Dönerstand wirklich der Erste? Tatsächlich meldete sich nach einem Zeitungsbericht über Nurman noch ein anderer Mann: Nevzat Salim. Und der behauptete, seinen ersten Döner „1969 das erste Mal am Stadtfest Reutlingen verkauft“ zu haben. Also drei Jahre vor Nurman und über 600 Kilometer von Berlin entfernt. BR-Reporterin Aylin Dogan rief ihn daraufhin an. Im Gespräch bestätigte er: „Ich bin der Erste, der den Döner nach Deutschland gebracht hat.“
Muss die Geschichte des Döners neu geschrieben werden?
Stimmt das, wäre das eine kleine Revolution. Der Döner wäre kein „Metropolgewächs“, sondern käme aus der schwäbischen Provinz. Kann das sein? Ein Anruf beim Stadtarchiv ergibt: Stadtfeste finden in Reutlingen seit 1977 statt. Und im Adressbuch der Stadt sei Nevzat Salim erst seit 1982 verzeichnet, also ganze 13 Jahre nach dem behaupteten ersten Döner auf dem Stadtfest. Als der BR ihn mit diesen Aussagen konfrontieren wollte, war Salim telefonisch nicht mehr erreichbar. Per SMS teilte er jedoch mit, jetzt im Ausland zu leben.
Bursa oder Berlin? Oder Damaskus?
Also doch Berlin? Oder nicht schon eher in der Türkei? Beides falsch, sagt der Dönerspezialist und Soziologe Eberhard Seidel: „Weil der Döner tatsächlich im Osmanischen Reich erfunden wurde. Die Türkei gibt es erst seit 1923 und das Osmanische Reich fast 1.000 Jahre länger. Es gibt schon Zeichnungen aus dem 16. Jahrhundert von einem Gelehrten aus Damaskus, der eine mit Dampf betriebene Dönermaschine gezeichnet hat.“
Und die türkische Stadt Bursa sei bekannt für ihr geschichtetes Fleisch vom Drehspieß. Auch Sandwiches mit Fleisch gäbe es schon seit Langem in der Türkei. Aber die Kombination mit Salat und Soße, die sei eine Berliner Erfindung. Und so gesehen ist der Döner ein Erfolg der Immigrationsgeschichte: Türkische Einwanderer schaffen ein neues Nationalgericht – das von Berlin aus die Welt erobert.