Zwischen Baugerüsten und Betonplatten wächst in der Bergiusstraße ein moderner Bürokomplex – doch das eigentlich Spannende liegt darunter. Zwei riesige Wassertanks, versteckt unter der Tiefgarage, bilden das Herzstück eines ungewöhnlichen Heizsystems: Sie dienen als Eisspeicher.
Das Prinzip hinter dem „Eisspeicher“-Konzept klingt simpel – und ist doch hochkomplex: Im Winter entzieht eine Wärmepumpe dem Wasser Energie. Das Wasser gefriert, das Gebäude wird warm. Im Sommer kehrt sich der Vorgang um – das Eis kühlt die Räume. Der Clou: Für das Einfrieren und Auftauen wird vor allem kostenlose Umgebungswärme genutzt.
Solarstrom vom Dach – für Heizung und E-Autos
Den Strom liefert größtenteils die Solaranlage. Eine Photovoltaikanlage mit 120 Kilowatt Leistung ist in das Dach des Gebäudes integriert. Sie versorgt nicht nur die Wärmepumpen, sondern auch bis zu 66 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in der Tiefgarage. Die Solarmodule liegen bündig im Dach – darunter bleibt Platz für eine Begrünung, die nicht nur gut aussieht, sondern durch Luftzirkulation auch die Effizienz der Anlage verbessert. Laut Stadtwerke Augsburg verbleibt der erzeugte Strom vollständig im Gebäude – ein in sich geschlossener Energiekreislauf.
Wärme ohne Fernwärme – Lösung mit Modellcharakter
Göggingen ist kein zufälliger Standort. Die Stadtwerke Augsburg bauen das Fernwärmenetz zwar weiter aus – doch längst nicht alle Stadtteile lassen sich schnell anschließen. Hier bieten dezentrale Systeme wie der Eisspeicher eine Alternative. „So eine Anlage in dieser Größenordnung ist bisher selten“, sagt Projektleiter Karl-Heinz Viets. Sollte die Energie aus dem Eisspeicher nicht ausreichen, springen Rückkühler oder im Notfall eine Gastherme ein. Trotzdem: Der Fokus liegt auf Autarkie. Investitionsvolumen für das System laut Stadtwerke: rund 1,1 Millionen Euro.
Energie der Zukunft? Bereits erprobt in Bayern
Der Eisspeicher in Göggingen ist nicht das erste Projekt dieser Art in Bayern – aber das bislang größte in Augsburg. In München wird eine Wohnanlage mit 74 Wohnungen durch einen vergleichbaren Speicher versorgt, in Röttenbach heizen 13 Wohnungen mit Eis, in Würzburg nutzt die Umweltstation das System seit 2019. Die Technik ist nicht neu, aber bislang eher Ausnahme als Standard. Ob sie sich als tragfähige Lösung im urbanen Raum etabliert, hängt auch von der Wirtschaftlichkeit ab. Die Stadtwerke Augsburg sehen darin eine Möglichkeit, langfristig unabhängiger von schwankenden Gas- und Ölpreisen zu werden – und ein Stück näher an das Ziel der CO₂-neutralen Stadt zu rücken.