Die lange Pause von der Musikindustrie hat Suzanne Vega gutgetan: Die 65-jährige New Yorkerin klingt experimentierfreudig, frisch und mutig. Auf ihrem zehnten Album, „Flying With Angels“, führt sie ihren bewährten Sound zwischen Folk und Pop ins Extrem: „filigran und sanft“ trifft auf „energetisch und rockig“. Hinzu kommen Einflüsse, die bislang nicht Teil ihrer Klangpalette waren.
Auf den Spuren der Ramones
So etwa „Love Thief“. Der Song ist ein Ausflug in den Motown-Soul oder „Rats“, der an den Punkrock der 70er erinnert. Eine bemerkenswerte Vielfalt, die laut der Künstlerin vor allem eines ist: ein glücklicher Zufall: „Wenn ich mit einem Album beginne, ist das eher ein Akt der Verzweiflung. Ich versuche herauszufinden, was wie funktionieren könnte. Denn meine Ideen sind oft Fragmente – eine Gitarrenlinie, eine Melodie, ein Titel“, sagt Suzanne Vega.
Und so begibt sich Suzanne Vega auch auf die Spuren der Ramones – ein Novum in ihrer 43-jährigen Karriere. Doch auch die Texte haben es in sich: Da geht es um unseren naiven Umgang mit sozialen Medien, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die zweite Amtszeit von Donald Trump.
Der, so ihre These im Song „Witch“, müsse das Opfer einer Hexe sein. „Er muss mit einem Zauber belegt sein, weil aus seinem Mund nichts Sinnvolles mehr kommt. Keine Ahnung, was mit ihm los ist, aber als Bürger müssen wir gesunden Menschenverstand von hanebüchenem Blödsinn unterscheiden. Wir müssen Verantwortung übernehmen – und dürfen nicht blind jemandem folgen.“
Die Kammerzofe von Bob Dylan
Humorvoll oder bissig – energetisch oder atmosphärisch. Suzanne Vega gibt sich variantenreich und leichtfüßig. Wobei vor allem ein Stück herausragt: In „Chambermaid“ fantasiert sie davon, die Kammerzofe von Musik-Ikone Bob Dylan zu sein – unterlegt mit dessen Klassiker „I Want You“ aus dem Jahr 1966. Mit der Idee sei sie eines Morgens aufgewacht – und habe damit ein bisschen rumexperimentiert. Der Song sei dann in einer Stunde fertig gewesen, erzählt sie. „Ich habe Dylans Strophe und sein Gitarrenriff gestohlen – wofür er mir sein ok geben musste. Das hat er.“
Und nicht nur wegen dieses Songs ist „Flying With Angels“ ein bemerkenswertes Album geworden.