Die Seebühne bei den Bregenzer Festspielen fordert den Sängern bekanntlich viel ab, vor allem, wenn der Wind auffrischt und sie in schwindelnder Höhe auftreten müssen. Doch das beeindruckt Intendantin Lilli Paasikivi nicht im Geringsten: Die finnische Mezzosopranistin sang in der Wintersportmetropole Lahti anlässlich einer Weltmeisterschaft schon mal auf der dortigen Skisprungschanze und wärmte die Herzen der Fans mit einem Lied aus dem alpenländischen Musical „Sound of Music“.
„Alle meine Termine in der Sauna“
Die eine oder andere finnische Leidenschaft will Paasikivi am Bodensee beibehalten, wie sie im Gespräch mit dem BR ankündigt: „Es gibt ab Anfang Juni eine neue Sauna in der Nähe des Festspielhauses, und dann können alle sehen, wie die Intendantin sauniert. Ich werde dann alle meine Termine dorthin verlegen.“ Das allerdings dürfte nicht ganz ernst gemeint sein.
Obwohl sie hervorragend Deutsch spricht, hadert Paasikivi noch etwas mit ihren Verständigungsmöglichkeiten, seit sie mit der Vorarlberger Mundart konfrontiert wurde. Die dortige Lebensart allerdings befremdet sie nicht im Geringsten: „Ich bin sehr positiv überrascht, wie ähnlich die Mentalität eigentlich ist. Die Leute sind hier auch sehr bodenständig. Sie sind freundlich, offenherzig, gleichzeitig ernsthaft. Also, ich fühle mich hier wirklich wie zu Hause. Das Wetter ist natürlich ganz anders, aber es ist so eine schöne Erfahrung, nach 28 Jahren an der finnischen Nationaloper ein Festival zu leiten. Darauf freue ich mich riesig.“
Finnischer Tango am See
Ihre „nordische DNA“ will Paasikivi, die die finnische Nationaloper seit 2013 leitete, in ihrer ersten Saison in Bregenz keineswegs verbergen: So zeigt sie zwei Arbeiten des Choreografen Tero Saarinen, eines Landsmanns von ihr, und lässt es sich nicht nehmen, am 11. August zum „Tango am See“ einzuladen. Wie sich inzwischen herumgesprochen hat, ist der südamerikanische Tanz in Finnland eine nationale Leidenschaft. Ein finnischer Männerchor wird Lieder heimischer Komponisten anstimmen, das Konzertprogramm prägen Stücke von Jean Sibelius und Osmo Tapio Räihälä.
Da passt es, dass auf der Seebühne abermals der populäre „Freischütz“ zu sehen ist, der in Inszenierung von Philipp Stölzl in einem tief verschneiten Dorf Mitte des 17. Jahrhunderts spielt. Das wirkt optisch ziemlich „skandinavisch“. Im Festspielhaus setzte Paasikivi die selten gespielte Oper „Oedipe“ des rumänischen Komponisten George Enescu auf den Spielplan, eine monumentale Partitur, die ungekürzt zu hören sein wird.
Paasikivi, die selbst als Wagner-Sängerin auf der Bühne stand, liebt erklärtermaßen „starke Musik“ und „großes Drama“. Angesichts dieser Neigung zu großformatigen Werken fürchtet so mancher schon um die Kapazität des Bregenzer Orchestergrabens.
Optisch dürfte es allerdings ein eher karger und düsterer Drei-Stunden-Abend werden: Regisseur Andreas Kriegenburg will die antike Saga über den Vatermörder Ödipus mit archaischer Wucht bebildern.
Kein „dynamisches“ Preissystem
Ein „dynamisches“ Preissystem soll es in Bregenz vorerst nicht geben, versprach Geschäftsführer Michael Diem. Es ist im Konzertgeschäft inzwischen Mode geworden, die Höhe der Ticketpreise der jeweils aktuellen Nachfrage anzupassen, also das Karten-Angebot mithilfe entsprechender Software täglich oder sogar stündlich neu zu bepreisen, was vor allem in den USA viel Unmut ausgelöst hat.
Allerdings kommt Bregenz um leichte Preiserhöhungen nicht herum. Damit die einzelnen Preisstufen nicht zu hoch werden, wurde eine zusätzliche Kategorie eingeführt. Sonst ärgerten sich manche Kunden nämlich, wenn die Sitznachbarn eine Reihe hinter ihnen sehr viel weniger bezahlt hätten, so Diem.
Regen ist seltener als gedacht
Seit der Corona-Pandemie strömen übrigens noch mehr Deutsche an den Bodensee: Inzwischen machen sie nach Angaben von Diem etwa 70 Prozent des gesamten Publikums aus, aus der Schweiz kommen rund zehn Prozent. Die gäben jedoch vergleichsweise viel Geld aus und seien besonders reaktionsfreudig, das heißt, sie schreiben gerne Mails, wie ihnen das jeweilige Event gefallen hat.
Das lokale österreichische Publikum wartet gerne ab, wie sich das Wetter entwickelt. Weil die Seebühne jedoch regelmäßig ausverkauft ist, haben sie dann das Nachsehen. Deshalb wollen die Festspiele den Vorarlbergern kleine Sonderkontingente reservieren. Dass Vorstellung häufig ausfallen, sei übrigens ein Mythos, so Michael Diem. Im vergangenen Jahr sei nur die letzte Aufführung regenbedingt in den Saal verlegt worden, durchschnittlich seien jeweils zwei von knapp 30 Vorstellungen pro Saison von herannahenden Gewittern beeinträchtigt.