Ein sonniger Nachmittag in San Francisco. Die Kamera folgt zwei Männern, die getrennt durch die steilen Straßen der Stadt spazieren – bis sie sich im legendären Café Zoetrope treffen, an einem glänzenden Bartresen aus Mahagoni. Dort nehmen sie Platz, bestellen Kaffee, blicken einander an – und in die Kamera. Was aussieht wie der Auftakt zu einem Indie-Film, ist in Wahrheit das Ankündigungsvideo eines der ambitioniertesten Tech-Deals der letzten Jahre.
Sam Altman, CEO von OpenAI, und Design-Ikone Jony Ive verkünden ihre Zusammenarbeit und veröffentlichen dazu auch schwarz-weiß Foto, das die beiden Unternehmer freundschaftlich verbunden zeigt und ein wenig an die Ästhetik von Synthie-Pop-Alben aus den 90ern erinnert. OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, übernimmt also Ives Hardware-Startup io – für 6,5 Milliarden US-Dollar. Damit ist es die größte Akquisition in der Geschichte des KI-Giganten. Und nicht weniger als der Versuch, die Zukunft des persönlichen Computers neu zu denken.
Der Designer, der Apple prägte – und nun KI neu gestalten will
Denn Jony Ive ist mehr als nur ein Designer. Er ist der Mann hinter dem iPod, iPhone, iPad und dem MacBook Air – und damit einer der Architekten des mobilen Zeitalters. In seinen 27 Jahren bei Apple war er enger Vertrauter von Steve Jobs, verantwortlich für das klare, ikonische Design, das Technik greifbar und begehrenswert machte. Seit seinem Ausstieg bei Apple 2019 arbeitet Ive an unabhängigen Projekten – nun also der Schulterschluss mit OpenAI.
Für Ive ist das kein gewöhnlicher Jobwechsel. „Ich trage viel Verantwortung für das, was Smartphones mit uns gemacht haben“, sagt er im Video. Gemeint ist: Dauerablenkung, Reizüberflutung, digitale Erschöpfung. Stattdessen will er nun Geräte entwickeln, die „uns helfen, bessere Versionen unserer selbst zu sein“.
Ambient Computing: Die Zukunft jenseits des Bildschirms
Was Altman und Ive konkret entwickeln, bleibt vage. Aber das Ziel ist klar formuliert: eine neue Familie von Geräten, die nicht mehr wie Smartphones funktionieren – sondern wie intelligente Begleiter. Denkbar sind tragbare KI-Gadgets wie Anhänger, Brillen oder Ohrhörer, die Sprache, Bilder und Kontext in Echtzeit verarbeiten. Geräte, die die Umwelt verstehen, bevor man überhaupt danach fragt. Ambient Computing lautet das Schlagwort – der Computer wird unsichtbar, allgegenwärtig, unterstützend.
Solche Visionen sind nicht neu. Start-ups wie Humane oder Rabbit haben bereits versucht, AI-Wearables auf den Markt zu bringen – und sind krachend gescheitert. „Schwache Produkte ohne neue Ideen“, urteilt Ive. Doch nun mischt der Designer, der einst das Smartphone mitgestaltete, selbst mit. Und das lässt aufhorchen.
OpenAIs Hardware-Wette – und Apples neue Sorgen
Für OpenAI markiert der Deal den entschlossenen Einstieg in die Hardware-Welt. Ive und seine 55-köpfige Mannschaft – allesamt ehemalige Apple-Designer und -Ingenieure – wechseln zu OpenAI. Sie arbeiten künftig eng mit den Forschungs- und Produktteams in San Francisco zusammen. io wird außerdem das gesamte Produktdesign von OpenAI betreuen; auch für Software wie ChatGPT.
Für Apple ist der OpenAI-Deal mit Jony Ive eine strategische Herausforderung. Während Google, Meta und OpenAI im KI-Rennen vorpreschen, wirkt Apple defensiv, fast zögerlich. Dass ausgerechnet der langjährige Designchef nun am vielleicht spannendsten KI-Projekt der nächsten Jahre mitarbeitet, lässt die Konzernführung in Cupertino nicht gut aussehen. Prompt fiel die Apple-Aktie nach Bekanntwerden des Deals um 2,3 Prozent.
Eine neue Ära – oder nur ein schöner Traum?
Im Ankündigungsvideo bleiben Altman und Ive im Ungefähren. Es geht um Philosophie, Ethik, Verantwortung. Um San Francisco als mythischen Ort für Technologie. Um Freundschaft und Neugier. Und schließlich um die vage Hoffnung, dass 2026 erste Produkte erscheinen.
„Ich glaube, alles, was ich je gelernt habe, führt genau zu diesem Moment“, sagt Ive. Ob aus dem Zusammenspiel von KI und Design tatsächlich ein neues Kapitel der Technikgeschichte entsteht – oder nur ein elegantes PR-Manöver bleibt – wird sich zeigen. Sicher ist: Wenn zwei der einflussreichsten Köpfe des Silicon Valley an einem neuen Gerät arbeiten, dann schaut die Welt genauer hin.