Wir sind Jan, ein gewöhnlicher Astronaut. Und wir sind allein. Allein auf einem toten Planeten. Die Sonne kriecht unerbittlich über den Horizont, und wenn sie uns einholt, verbrennen wir. Unsere Crew? Tot. Unsere Vorräte? Knapp. Unsere Aufgabe? Überleben.
Das ist die Prämisse von The Alters. Ein klassisches Setup für ein Survival-Computerspiel – und doch ist The Alters alles andere als gewöhnlich. Denn obwohl wir allein sind, sind wir es nicht lange. Mithilfe eines geheimnisvollen Minerals – Rapidium – können wir uns selbst klonen. Aber diese Klone sind keine leeren Hüllen, keine seelenlosen Werkzeuge. Sie sind wir. Oder besser gesagt: Sie sind die, die wir hätten sein können.
Alternative Lebenswege treffen aufeinander
Ein Jan wurde Techniker, weil er sich für die Sicherheit der Werkbank und gegen das Risiko des Aufbruchs entschied. Ein anderer Jan wurde Wissenschaftler, weil er der Neugier folgte statt des Geldes. Und ein dritter Jan geriet auf die schiefe Bahn – weil er im falschen Moment im Leben falsch abbog. Jeder dieser Alters ist ein Echo eines möglichen Lebens, ein Spiegel, der uns zwingt, unsere Entscheidungen zu hinterfragen.
Doch es ist eng auf der Station. Zu eng für so viele Egos, so viele unerfüllte Leben. Der Lagerkoller ist programmiert – und mit ihm die Eskalation. Die Konflikte sind dabei weit mehr als bloßes Gameplay-Gewürz. Sie spiegeln die Unvereinbarkeit innerer Lebensentwürfe – der Pragmatiker gerät mit dem Idealisten aneinander, der Zyniker verachtet den Träumer. Jeder Alter verkörpert eine Haltung, einen biografischen Strang, der sich verselbständigt hat – und plötzlich beansprucht jede Version von Jan das Recht, als „der echte“ zu gelten.
Kritik an der Arbeitswelt
Hinter dem psychologischen Drama steckt noch eine weitere Ebene: The Alters ist auch eine stille Anklage – an eine Arbeitswelt, die Menschen zu Ressourcen macht. Die Alters schuften, reparieren, forschen, kochen – sie arbeiten, bis sie brechen, weil es ihre „Bestimmung“ ist. Der Mensch als multifunktionale Einheit, klonbar, ersetzbar, instrumentalisierbar. Das ist nicht nur dystopisch, sondern auch erschreckend gegenwartsnah.
Das Raumschiff, auf dem wir leben, gleicht einem rotierenden Hamsterrad: Ein ewiger Kreislauf von Produktion und Selbstausbeutung – in dem jede Version von Jan zwar überlebt, aber keinen Schritt weiterkommt.
Philosophisches Science-Fiction-Gaming
Das alles macht The Alters zu einem der klügsten, aufregendsten und gedanklich tiefschürfendsten Science-Fiction-Spiele der letzten Jahre. In der Tradition von „Moon“, „2001: Odyssee im Weltraum“ oder literarischen Werken wie „Permutation City“ verhandelt es große Fragen mit erzählerischer Eleganz und mechanischer Finesse: Was ist Identität? Was bleibt vom Ich, wenn es sich vervielfacht? Und wie sehr prägt uns die Arbeit, die wir tun?
Am Ende steht eine Erkenntnis: Die wichtigste Entscheidung liegt nicht darin, wer wir sein könnten. Sondern: wer wir sein wollen.