Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hat sich für das Primärarztsystem ausgesprochen. In der Münchner Runde im BR Fernsehen sagte sie: „Ich würde mir wünschen, dass wir’s nicht von Anfang an tot reden.“ Es gebe „Ein bis zwei Punkte, wo man sagen kann, die sind schwierig“, nichtsdestotrotz müsse es dazu führen, dass die Patienten möglichst schnell dorthin kämen, wo sie medizinisch hingehörten. Sie habe bislang keine anderen Vorschläge gehört, die zu einer besseren Steuerung der Patienten führten. Darum plädierte sie dafür, dem Primärarztsystem „auch mal eine Chance zu geben“, auch mit Blick auf Digitalisierung und Bürokratieabbau.
Wann die Umstellung genau erfolgen soll, ist noch unklar. „Ich glaube nicht, dass die Umsetzung in diesem Jahr kommt“, so Gerlach. Dazu sei das System, bei dem die Patienten direkt von der Hausarztpraxis an die Fachärzte übermittelt werden sollen, zu komplex. „Das umzustellen, das passiert nicht von heute auf morgen.“
Hausärzte nicht zu „Türstehern“ machen
Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sprach sich ebenfalls für das Primärarztmodell aus. Er verwies auf die vergleichsweise hohe Anzahl der Arztkontakte, die deutsche Patienten im internationalen Vergleich hätten. Allerdings warnte er: „Wir dürfen jetzt nicht einfach das System umstellen und sagen: Hausärztinnen und Hausärzte werden jetzt zu Türstehern.“ Zeitgleich sei es zudem erforderlich, die Hausarztpraxen zu entlasten.
Auch die Hausärztin in der Runde, Karin von Mücke, betonte, dass Hausärzte dringend entlastet werden müssten. Denn sie leide schon jetzt unter der Bürokratie und der unzureichenden Digitalisierung.
Selbstkritisch zeigte sich auch Grünen-Politiker Dahmen: Er sagte, dass es auch die Ampel nicht geschafft habe, den „eklatanten“ Reformstau im Gesundheitssystem aufzulösen. Man sei zunächst sehr intensiv mit der Krankenhausreform beschäftigt gewesen. Als die Ampelkoalition zerbrach, habe man ein fertiges Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung im Gesundheitsministerium abgelegt. Er riet der Bundesregierung, dieses Gesetz nun aufzugreifen.
Kritik am geplanten Primärarztsystem
Kritik an dem geplanten Primärarztsystem äußerte Eugen Brysch, der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Er befürchtete, dass mit der Einführung des Systems jeder Hausarzt bis zu 2.000 Patienten zusätzlich zu versorgen habe. „Wie das gelingen kann, bleibt eines der größten Geheimnisse der Bundesregierung“, sagte Brysch. Seine Sorge: Bereits die elektronische Patientenakte sei zu unübersichtlich, sodass nicht gewährleistet werden könne, dass Informationen verlässlich zwischen den Haus- und Fachärzten übermittelt werden.
VdK-Präsidentin Bentele fordert mehr Arzttermine
Auch Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, kritisierte die elektronische Patientenakte – jedoch aus anderen Gründen. Die Akte sei „eine Aneinanderreihung von PDF-Dokumenten“ und folglich nicht barrierefrei bedienbar. Die Ärzte wüssten nicht voneinander, welche Medikamente der Patient einnimmt. Das sei bei vielen ihrer Mitglieder, gerade bei den Älteren, ein Problem. Für Verena Bentele ist eine Steuerung der Patientinnen und Patienten „substanziell“. Sie fordert: „Unsere Mitglieder brauchen Termine.“