Keine Belege für ein existierendes Wirecard-Geschäft mit ausländischen Drittpartnern, außerdem verbranntes Kapital in Höhe von mehr als eine Milliarde Euro, damit der Aschheimer Zahlungsdienstleister jahrelang eine vermeintliche Erfolgsgeschichte aufrecht erhalten konnte, die ihn 2018 bin in den DAX katapultierte – gerade für Ex-Wirecard-Chef Markus Braun und seine Verteidigungsstrategie war die Zeugenaussage von Insolvenzverwalter Michael Jaffé am Mittwoch und am Donnerstag im Prozess am Landgericht München ein schwerer Rückschlag.
Braun und seiner Verteidigerin Theres Kraußlach scheint dies bewusst gewesen zu sein. Denn unmittelbar, nachdem Jaffé am frühen Donnerstagnachmittag den unterirdischen Verhandlungssaal auf dem Gelände der JVA Stadelheim verlassen hatte, konterte Kraußlach, Jaffés Behauptung über ein nicht existierendes Drittpartner-Geschäft sei falsch. Der Insolvenzverwalter verfüge nicht über entsprechende Unterlagen, um eine solche Aussage treffen zu können.
Ebenso wies Kraußlach Jaffés Darstellung zurück, wonach Wirecard zustehende Gelder in Höhe von 1,9 Milliarden Euro, die auf philippinischen Treuhandkonten verwahrt werden sollten, nicht vorhanden gewesen seien. „Der Schluss ist falsch, und der geht überhaupt nicht“, stellte Kraußlach fest.
Braun schweigt – bis ihm der Kragen platzt
Markus Braun hatte Jaffés Ausführungen stundenlang schweigend zur Kenntnis genommen – bis zu dem Moment, als seine Verteidigerin ihre Erklärung beendete. Dann platzte es aus ihm heraus. Sehr aufgebracht stellte der ehemalige Vorstandsvorsitzende seine wiederholt vorgebrachte These dar, wonach eine Bande rund um den flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek und den Mitangeklagten Oliver Bellenhaus – Ex-Wirecard-Statthalter in Dubai – Gelder veruntreut und auf ausländische Konten geschleust habe. „Marsalek hat den Tresor gefüllt“, so Braun.
Den Vorwurf, dass die Wirecard-Bilanzen mehrfach falsch gewesen seien, wies Braun ebenfalls zurück. „Ich bin bis zum 18.6.2020 von echten Bilanzen ausgegangen“, sagte er. Der ehemalige Chef des früheren DAX-Konzerns und sein Verteidiger-Team haben zudem schon mehrfach darauf hingewiesen, dass finanzielle Transaktionen auf Konten der Wirecard-Bank seine These stützen würden.
Dazu bemerkte Richter Markus Födisch: „Wir sind dem nachgegangen. Es ist keine Polemik, wenn ich frage, wie entlastet Sie das?“ Braun, Bellenhaus und der frühere Wirecard-Chefbuchhalter Stephan von Erffa sind in dem seit Anfang Dezember 2022 laufenden Prozess unter anderem wegen bandenmäßigen Betrugs und Falschdarstellung angeklagt.
Staatsanwältin zu Braun: „Das sind Geschichten!“
Auf Unverständnis stieß Braun mit seinen Behauptungen bei Staatsanwältin Inga Lemmers, der irgendwann ebenfalls der Geduldsfaden riss. Direkt an den Ex-CEO gewandt sagte sie: „Es ist ganz erstaunlich (…) immer, wenn es für Sie nicht gut läuft, kommt eine andere Darstellung. Für mich sind das Geschichten!“
Am Ende gelang es Richter Markus Födisch, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen. Die gut fünfzehnminütige Auseinandersetzung kommentierte Födisch da vieldeutig mit den Worten: „Alleine bis jetzt hat das schon sehr, sehr viel gebracht.“ Födisch nahm damit den Kommentar eines Prozessbeteiligten auf, der den Streit auf offener Bühne als „wenig zielführend“ kritisiert hatte.
Urteil Ende des Jahres?
Die Vernehmung von Insolvenzverwalter Jaffé ist ein deutliches Indiz dafür, dass die Beweisaufnahme im Wirecard-Prozess kurz vor dem Abschluss steht. Mit einem Urteil rechnen Verfahrensbeteiligte allerdings frühestens Ende dieses Jahres.