Keine Frage: Ludwig I. war ein hochemotionaler Mensch. Er liebte die Kunst, das Tanzen und Italien, seine Mutter, seine Ehefrau Therese und später Lola Montez, er schrieb Gedichte und führte ein Traumbuch, in emotionalen Situationen traten ihm schnell Tränen in die Augen. Ein Romantiker auf dem Thron. Das entsprach nicht ganz den Vorstellungen der Zeitgenossen von einem Herrscher.
Ein Romantiker auf dem Thron
Doch Historikerin Marita Krauss zeigt in ihrer Biografie, dass Ludwig eben gerade wegen seiner Emotionalität ein guter König war. Enthusiastisch und verletzlich, neugierig, und vor allem: außerordentlich empathisch. Eine Anekdote über eine Reise nach Norddeutschland verrät viel, sagt Historikerin und Biografin Marita Krauss: „Ich liebe diese frühe Reise des Kronprinzen oder damals noch Kurprinzen in die Hansestädte, weil er dann in Hamburg ist und dann findet er diese neue Börsenhalle so toll, und dann entdeckt er den Leseraum, wo die Kaufleute sitzen und lesen und er schaut nicht nur hin, sondern er geht dahin und setzt sich und liest. Und ist völlig fasziniert davon, dass man da alle Zeitschriften kriegen und lesen kann.“
Ludwig war kein Träumer, sondern ein disziplinierter, fleißiger, maßvoller König. (Der desaströsen Finanzlage des Königreichs bei seiner Thronbesteigung begegnete er mit klugen Sparmaßnahmen.) Um vier Uhr morgens begann er zu arbeiten, er wollte selbst regieren, wollte gestalten, war durch und durch von der Monarchie überzeugt, wollte auch seine Untertanen dafür gewinnen.
Auch Ludwigs Liebe zur Kunst hat viel mit seiner Emotionalität zu tun. Er sammelte nicht nur privat, er machte mit Kunst, Kultur und Geschichte Politik. Seine Idee, Deutschland und Bayern zu einen, um dem starken Frankreich etwas entgegenzusetzen, untermauerte er mit Nationaldenkmälern wie der Walhalla in Regensburg oder der Befreiungshalle in Kelheim. Zugleich agierte er ganz im Sinne einer modernen Identitätspolitik. „Das war seine Idee, nicht dieses aus der Aufklärung stammende, sehr rationale Benennen von Regierungsbezirken nach Flüssen, nein, er hat die Stämme erfunden, die ja bis heute eine wichtige Bedeutung haben … die gab es ja vorher nicht, es gab nie den Stamm der Schwaben oder der Franken, aber über diese Benennung hat er eine Identitätspolitik betreiben können“, sagt Krauss.
War Ludwig I. ein guter König? Krauss findet: Ja
Auf rund 600 Seiten zeichnet Marita Krauss ein lebendiges, vielschichtiges Bild des Herrschers: Seine innige Liebe zur Mutter und ihr Tod, als er neun Jahre alt war, seine Furcht vor dem strengen Vater. Seine Abneigung gegen Puder und Zopf als Symbole der alten Welt. Auch von seinen körperlichen Einschränkungen erzählt die Historikerin: Ludwig stotterte als Kind, später war er stark schwerhörig, was immer wieder zu Missverständnissen führte.
Krauss erzählt nicht nur von Ludwig, sie erzählt hier auch die Geschichte Bayerns im Wirrwarr des 18. Jahrhunderts, ordnet die bayerischen Geschicke in den europäischen Kontext ein. Und immer schwingt da diese eine große Frage mit: War Ludwig I. ein guter König?
Für Marita Krauss ist die Antwort eindeutig: „Ja, ich denke schon. Das kann man auch ganz gut im Vergleich betrachten: Sicherlich war Max I., also sein Vater, ein König, der in einer Zeit regiert hat, wo er unglaublich lavieren musste. Sein Sohn Max II. war sehr zögerlich und schwierig, sehr problematisch. Ludwig II. hat sich ja dann völlig vom Regieren zurückgezogen, dann sind wir schon beim Prinzregenten Luitpold, sein Lieblingssohn, dem er am meisten zugetraut hat, mit Recht. Und Ludwig III. hatte ja kaum noch Zeit mehr vor dem 1. Weltkrieg, ein eigenes Profil zu entwickeln. Also in diesem Vergleich ist Ludwig eine bedeutende Figur und vor allem er hat auch wirklich viel verändert, er hat auch gestaltet und er konnte auch noch gestalten, also insofern ein guter König, aber vielleicht auch der beste von denen.“