Im Dezember werden 36 Juristen, Historiker und Kunstwissenschaftler ihre Arbeit als Teil des neuen Schiedsgerichtes zu NS-Raubkunst aufnehmen. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer verspricht damit mehr Bewegung im Falle der „Aufarbeitung historischen Unrechts“. Für den Zentralrats-Präsidenten der Juden in Deutschland, Josef Schuster, ist das ein entscheidender Markstein. Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) sieht darin eine neue Ära bei der Rückgabe von Kulturgut.
Das neue Schiedsgericht wird die bisherige Beratende Kommission ablösen und soll die rechtliche Stellung der Nachfahren von Beraubten verbessern, also von Erben jüdischer Kunstsammler, die während der NS-Zeit ihre Kunstwerke aus dem Land schaffen oder unter Zwang verkaufen mussten. Die Beratende Kommission konnte zu diesen Fällen und Anklagen bisher lediglich Empfehlungen aussprechen. Die Entscheidungen des Schiedsgerichtes werden dagegen fortan rechtsbindend sein.
Das Gremium setzt sich aus teils bekannten Namen zusammen, wie zum Beispiel der Provenienzforscherin Sophie Lillie oder dem deutsch-israelischen Soziologen Natan Sznaider. Auch der Historiker und stellvertretende Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, Magnus Brechtken, wird Teil des Schiedsgerichtes sein.
NS-Raubkunst: Wem gehört ein Werk?
Im BR-Interview erklärt Brechtken, was sich ab Dezember ändern wird. Die Initiative muss weiterhin von außen kommen, von Erben der mutmaßlichen Vorbesitzer oder den Institutionen, die in Besitz möglicher Raubkunst sind. Neu ist allerdings, dass es jetzt ausreicht, wenn nur eine Seite die Prüfung eines Kunstwerkes beanstandet und bei der Schiedsstelle anruft. Unter der Beratenden Kommission mussten sich immer erst beide Parteien zur Schlichtung bereiterklären.
Die Schiedsstelle fordert dann innerhalb von vier Wochen jeweils beide Parteien auf, zwei Schiedsrichterinnen und -richter aus dem Gremium zu nennen. Und dann beraten diese Personen über das jeweilige Projekt oder Kunstwerk.
Lösung im Falle der „Madame Solaire“?
Welche Kunstwerke dann direkt zu Beginn behandelt werden, kann Brechtken nicht sagen. Das hänge von den involvierten Parteien ab. Die müssen einen Antrag stellen, damit sich die Schiedsstelle überhaupt erst damit befasst.
Auch für konkrete Kunstwerke, über die bereits viel in der Öffentlichkeit gesprochen wurde, lässt sich also erstmal noch kein klares Urteil fällen. Eines dieser Gemälde ist zum Beispiel Pablo Picassos millionenschwere „Madame Solaire“. Die bayerische Staatsgemäldesammlung wollte das Porträt aus dem Jahr 1903 von der beratenden Kommission noch nicht prüfen lassen, obwohl es seit über einem Jahrzehnt Rückgabeforderungen gibt. Laut den Vorwürfen des Erben des jüdischen Bankiers Paul von Mendelssohn-Bartholdy, dem das Gemälde ursprünglich gehörte, handelt es sich hierbei um Raubkunst. Mit der neuen Schiedsgerichtsbarkeit könnte es nun schneller zu einer Klärung kommen.
Auch im Falle des Werkes „Junges Mädchen mit Strohhut“ von Friedrich von Amerling soll das baldige Schiedsgericht Klarheit schaffen. Seit knapp zweieinhalb Jahren fordern die Erben des jüdischen Kunsthändlers Lion dieses Werk zurück.
Schiedsgericht nur Feigenblatt?
Kritische Stimmen, wie jüdische Verbände, sehen die Schiedsgerichte aber trotzdem nur als Zwischenschritt. Sie fordern ein richtiges Restitutionsgesetz, wie es bereits in Frankreich seit zwei Jahren angewendet wird. Mit einem solchen Gesetz würde eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, auf die sich vor allem Erben beziehen könnten, die Kunstwerke aus privatem Besitz zurückfordern. Historiker Brechtken sagt, dass man abwarten müsse, wie sich die politischen Diskussionen dahingehend noch entwickeln. Schon die neue Schiedsgerichtsbarkeit sei aber bereits ein großer Schritt.
Mit Material von dpa